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(
joy
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Bedrängen (2) Er hatte sich den völlig falschen
Reim gemacht auf das undeutliche Raunen, das ihm schnell und verstohlen ins
Ohr geschmuggelt worden war, während sich ihre Hände in seinen Mantelstoff gekrallt
hatten, in dem Versuch, sich noch dichter, noch aufsässiger an seine Brust zu
drängen, mit der zitternden und naßkalten Vorderseite: verschlissene alte Vetteln,
uralt und irrsinnig, mit rotbemalten langen Fingernägeln; junge Frauen, die
schon seit Jahren verwelkt und völlig verrückt waren, ohne Busen, nichts, wenn
er mit den Fingern über ihre unteren Bäuche fühlte, spürte er nichts, keinen
Widerstand, nicht den geringsten Vorsprung, keine Erhebung, keinen Haken, der
sich unter dem schlüpfrigen Tuch verbarg, und seine Hand rutschte haltlos ins
Leere. Nichts, und ihre Zähne grinsten ihn an, alt gewordene Jungfrauen mit
männlichen Oberkörpern, die in ihren Kinderwagen
totenstille unbewegliche Kinder vor sich herschoben, oder Holzscheite anstelle
von Kindern in den Kissen, oder dicke, mit unsauberem Fusel gefüllte Flaschen
unter dem Deckzeug. -
Wolfgang Hilbig: Er, nicht ich. In: W.H., Grünes grünes Grab. Frankfurt am Main
1993
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