aumrinde  Die natürliche lebendige Rinde des Baums war von bräunlichem Grau gewesen, ähnlich dem einer Buche. Abgesehen von einem sonderbaren Schimmer, mit dem der Frost sie überglänzt hatte, zeigte die Rinde, die wie die Haut eines Toten war, jetzt das Silbergrau der Leprose. So weit, so gut. Doch in halber Höhe des astlosen Stamms, fünf oder sechs Fuß vom Boden entfernt, erschien eine breite, eigentümliche Narbe. Das flimmernde Grau brach hier plötzlich ab. Darüber erstreckte sich deutlich ein blanker Kreis von dunklerer Farbe, über und über besät mit kleinen glitzernden Nestern von Pilzen. Der Obstgroßhändler kam vorsichtig ein, zwei Schritte näher. Da war keine außermenschliche Macht am Werk gewesen. Sauber und exakt mußte die dicke Rinde des Baums vor einiger Zeit eingeschnitten und abgeschält worden sein in einem breiten, gleichmäßigen Ring, zu weit vom Boden entfernt, als daß Schweine oder Ziegen, zu glatt und geradlinig, als daß nagende Rinder die Urheber hätten sein können. Es war vollkommen klar, die Rinde des Dings, die seine Lebenssäfte schützte, war mit Vorbedacht weggeschnitten, weggehackt worden. Man hatte den Baum ermordet. Und vom mondbeschienenen Himmel schien es hämisch auf das Opfer herniederzugrinsen. - Walter de la Mare, Der Baum. In: W. M., Aus der Tiefe. Frankfurt am Main 1984 (st 982, zuerst 1923)
 
 

Baumstamm

 

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Borke