Baummann    Herreb, seinen Balken schwingend, der ungeheuer groß ist, geht, umhüllt von seinem Sternenhof. zu Sengle. Sengle hebt beim Zusammenstoß desselben mit seinem eigenen Sternenhof vor Schmerz beide Arme, führt sie an seinen Kopf und stößt seine gespreizten Finger in Richtung von Herrebs Augen.

Herreb: Oh! die Nägel! Die grünen Nägel! sie dringen in mich ein...

Pyast: Sie haben einen Nagel im Nagelbett stecken. Der Ertrinkende muß sich nach dem rettenden Nagelbrett strecken. Mit deinem Stab bist du ein Mann im Bretterwald. Wenn du der Mann der Wälder bist, dann bist du auch der Mann der Bretter, die den Wald bedeuten, ein Waldrnann, der mächtig dreinholzt, holzterdipolzter.

Nosocome: Ein türkisches Lusthaus, wo er kobolzt.

Pyast (gestikulierend): Na, Herr Baummann, lassen Sie uns doch einen Rammbaumkuchen backen im Waffelsaal.

Nosocome: Vier Waldheinis und ein Waidwebel.

Pyast: Haha! ein Waidwebel! Das ist bestenfalls ein Gartenzwerg.

Nosocome: ArcaNA ambo.

Herreb: »Ach herrje, Monsieur«, sagte er und prallte dabei mit seiner violetten Atmosphäre so heftig auf, daß beinah eine Welt aus den Fugen ging.

Sengle hörte den irrwitzigen Gesprächen nicht mehr zu, sein Blick wurde starr wie der des Baummannes, welcher, seinen Stab in der Mitte haltend, diesen nun langsam nahezu in der Senkrechten kreisen ließ und hierbei zwei Kegel, welche, mit ihren Spitzen aufeinanderstellend, in entgegengesetzte Richtung wiesen, aus dem außernatürlichen Flui-dum der Körperstrahlungshöfe erzeugte. Ein Xipehuz entstand, aufrecht und leuchtend, und der Waldmensch sprach ergötzlich in der zähen Luft, mit dreihundert Jahren Pause zwischen jedem seiner Worte, und Sengle lauschte in der Ewigkeit. Der Waldmensch: Ich habe einen Höllennebel gesehen ... Oh! ich ersticke, oh! wie schön das ist!... oh! wie sich das halten läßt! Oh das Zentrum. Und das da drüben, das ist ein Molekül. Das Zentrum, oh! macht es mich froh! Ach ja, das Zentrum. Oh das Zentrum Gottes. Und seine Peripherie. Eine Peripherie hat nur ein Zentrum. Auch Gärten gibt es dort. Oh wie ist das Bewegen doch mühsam. Ich spüre eine Peripherästhesie... Och ja.

Neunhundert Jahre, dann schritt er auf die Anderen zu, und, ein gnädig herabsteigender Gott, sagte er schlicht:

»Ich bin der Waldmensch.«

Neunhundert Jahre.

»Oh! hier kommt der absteigende Ast

Neunhundert Jahre langsamer Fall des Stabs im dickflüssigen Äther.

»Ich habe Eis um mein Rohr. Oh! es wird starr. Starrend umrundest du meine Ideen. Doch meine Ideen haben keine Rundungen. Fünf Ecken. Das Fünfeck starrt von Geraden. Eine Idee ist nun einmal kein Pfad, sie hat keine Krümmungen. Sie ist ein Übergang, mit neubesohltem Schuhwerk...«

Sengle grübelte darüber nach, daß jener PERIPHERIE gesagt hatte und nicht Oberfläche, daß der Xipehuz folglich lebte. Das Fluidum des Mannes prallte gegen Sengle, und äußerst schmerzlich jammerte der Mann weiter:

»Auweh, Monsieur.«

Und er entschwand für etliche Jahre wieder im undurchsichtigen Brodem. Nosocome und Pyast führten ein Streitgespräch.

Pyast: Eine Schnecke sieht mit ihren Fühlhörnern. Tagsüber war sie als Nacktschnecke nackt und bloß, dabei hatte sie doch zu Haus ein Haus. Die Mitte ist es, ich halte mich stets an den Mittelweg.
Nosocome: Der Waldmensch geht uns durch und durch.
Pyast: Dabei fährt er nicht geradewegs durch mich durch, man beachte die Feinheit.
Nosocome: Seit drei Tagen schon sind wir hier.
Der Waldmensch: Oh mein Stab.
Pyast: Dein Ast ab.

Er kam noch näher, und Sengle mußte sich wie zuvor durch magnetische Bestreichungen schützen.   - Alfred Jarry, Tage und Nächte. Roman eines Deserteurs. Frankfurt am Main 1998 (zuerst 1897)

Baummann (2)  Erbo Meglio wird im ganzen Ort »der Hölzerne« genannt, weil er wirklich wie aus Holz zu sein scheint, aus krummen, sich an den Felsen festklammernden Wurzeln, aus verkrüppelten und knorrigen Stämmen, und er ist in seinen Bewegungen so behindert, daß er bei jedem Schritt knarrt wie ein alter Schrank in der Nacht. Arbeiten macht ihm Mühe; steif wie ein Stock bleibt er fast die ganze Zeit zu Hause und sieht fern. Aber wenn der Sturm tobt, geht er hinaus in den Regen und atmet genüßlich die bewegte Luft, den Wind, der von den Höhen des Hügels kommt, als wären dreißig Panzerwagen auf das Tal losgelassen. Alles krümmt sich, wenn sie vorüberziehen, außer dem Hölzernen, er hingegen richtet sich auf und knarrt fröhlich nach rechts und links, er setzt seine Stümpfe den Blitzen aus, die das dunkle Gewölbe des Horizonts durchzucken, er schüttelt seine Fetzen, als wäre es Laub, er sucht den Blitzstrahl, der ihn in einen verkohlten Stein verwandelt, wie schon so viele von seinen Vorfahren, die heute gerade und leblos im Wald stehen. Er weiß, da man es ihn in der Schule gelehrt hat, daß die Bäume aufrecht sterben, und der Wunsch, eines heroischen und schönen Todes zu sterben, hat ihn nie losgelassen, von jeher sucht er die Stürme und den heilsamen Blitzstrahl. - (bdm)
 

Waldmann Baum

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