Baum, erster Das Kind machte die Augen zu und starrte in eine wirbelnde Höhle, tiefer als die Finsternis im Garten, wo der erste Baum stand, auf den sich die unwirklichen Vögel gesetzt hatten. Allein und hell wie Feuer stand er da. Die Tränen Hefen dem Kind zurück unter die Augenlider, als es an den ersten Baum dachte, der so nahe bei ihm gepflanzt war wie ein Freund im Garten. Es kroch aus dem Bett und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Das Schaukelpferd auf seinen Federn machte einen Satz vorwärts und schlug das Kind in geräuschlose Flucht ins Bett zurück. Das Kind sah das Pferd an, und das Pferd war still. Wieder auf den Zehenspitzen den Teppich entlang, und es erreichte die Tür und drehte die Türklinke und lief auf den Gang hinaus. Blindlings vor sich hintastend, fand es den Weg zum oberen Ende der Treppe. Es schaute die dunklen Treppen hinab in die Halle, sah ein Heer von Schatten in und aus den Winkeln wanken, hörte jede Windung und Wendung ihrer Stimmen und stellte sich ihre Augenhöhlen und ihre abgezehrten Arme vor. Nur klein würden sie sein und verstohlen und blutlos, nicht mit unsichtbaren Panzern gerüstet, sondern nur von spinnfadenscheinigen Gewändern umhüllt. Sie wisperten, als es vorüberging, sie berührten es an der Schulter, und sie sagten ihm »Sst!« ms Ohr,

Das Kind ging die Treppe hinunter, und nicht ein einziger Schatten bewegte sich in der Diele; die Ecken und Winkel waren leer. Das Kind streckte den Arm aus, patschte mit der flachen Hand ins Dunkel und erwartete zu spüren, wie ihm ein dürrer, samtiger Kopf unter die Finger kriechen und sich wie Nebel in seine Nägel hineinschieben würde. Doch nichts. Es öffnete die Haustür, und die Schatten stoben in den Garten hinaus.

Einmal auf dem Gartenweg, war seine Angst verflogen. Der Mond hatte sich auf die ungejäteten Beete gelegt, und seine Fröste waren auf dem Rasen ausgebreitet. Schließlich kam es zum erleuchteten Baum am Ende des langen Kiesweges, zum Baum, der älter war als sogar das Wunder des Lichtes, und die Baumwanzen schliefen unter der Rinde, und die Zweige standen ihm vom Leib ab wie die erfrorenen Arme einer Frau. Das Kind berührte den Baum, er bog sich wie unter seiner Berührung. Es sah einen Stern, heller als alle anderen am Himmel, stetig über dem Turm der ersten Vögel brennen und auf nichts niederscheinen als einzig auf die blätterlosen Aste und den Stamm und die dahinziehenden Wurzeln.

Das Kind hatte an dem Baum nie gezweifelt. Zu ihm betete es nun, hingekniet auf geschwärztes Zweigicht, das der Nachtwind zu Boden geworfen hatte. Dann lief es, zitternd vor Liebe und Kälte, über den Rasen zurück, dem Haus zu.   - (echo)

Baum Erster


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