auchredner    Es war eine einschüssige Derringer mit einem sechs Zoll langen Schalldämpfer. Wortlos, aber sorgfältig zielte er nach der weichsten Stelle an Onkel Saints Kopf. Seine stumpfen, dunklen Augen waren völlig ausdruckslos.

Unvermittelt rief eine scharfe Stimme den Mann von hinten an: «Hände hoch, oder ich schieße!»

Die schwachen Bewegungen von Onkel Saints Lippen hatte der Mann nicht wahrgenommen. Er fuhr blitzschnell herum, wobei er mit dem Hinterkopf gegen den oberen Rand des Fensters stieß. Der Strohhut wurde ihm vom Kopf gerissen und fiel auf den Vordersitz des Lincoln.

Onkel Saint griff rasch nach seiner kurzläufigen Flinte.

Der Revolvermann fuhr wieder herum. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die -Mündung der doppelläufigen Flinte, die Onkel Saint ihm entgegenhielt.

Beide drückten gleichzeitig ab.

Der gedämpfte, hustende Knall der Derringer ging in dem schweren, lauten Dröhnen der Flinte unter.

In seiner Panik hatte Onkel Saint gleichzeitig beide Läufe abgeschossen.

Das Gesicht des Revolvermanns verschwand, und sein dicker, schwerer Körper wurde von der Gewalt der beiden Geschosse zurückgeworfen.

Die Rückleuchte eines Lastwagens, der in der Mitte der Fahrbahn unter der Hochbahnstrecke parkte, zerbarst ohne ersichtlichen Grund.

In der Luft stand der scharfe Geruch von Kordit und verbranntem Fleisch, während der Fahrer des Buick sich aus seinem Fenster beugte und die Pistole leerschoß, die er plötzlich in der linken Hand hielt.

Die Rückseite des Lincoln war auf einmal durchlöchert, und der linke Außenspiegel zersplitterte.

Onkel Saint war unversehrt geblieben, aber sein Kraushaar stand ihm vom Kopf ab wie Eisenfeile unter einem Magnet.

Unvermittelt begann eine Frau kurze, hohe, durchdringende Schreie auszustoßen.

Onkel Saint hatte das Gefühl, als ob ihm die Schädeldecke abgerissen würde.   - Chester Himes, Heroin für Harlem. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1966)

Bauchredner (2) Versuchen Sie nicht, ihn zu trösten. Er soll sich nach Herzenslust ausweinen, denn im Weinen liegt eine gewisse Wollust. Lassen Sie jedoch nicht in Ihrer Wachsamkeit nach. Bleiben Sie aufmerksam für jedes Problem, das sich unerwartet stellen kann. Die Frösche, zum Beispiel. Vergessen Sie nicht einen Augenblick, daß Sie sie in der Tasche haben. Stellen Sie sich vor, sie beginnen zu quaken, während Don Demetrio weint. Eine Möglichkeit, die wir schon früher in Betracht gezogen haben. Was können Sie dann tun? Bemühen Sie Ihre Phantasie, mein lieber Freund. Tun Sie zum Beispiel, als seien Sie es, der quakt. Geben Sie ihren großen Schatz noch nicht preis. Die Frösche würden einen Großteil ihrer Wirkung verlieren, wenn ihr Erscheinen nicht völlig überraschend für den Grafen wäre. »In der Tat«, erklären Sie ihm mit gleichgültiger Miene, »ich bin es, der quakt. Ich pflege es dann und wann zu tun, gänzlich unerwartet. Sie müssen  wissen, daß ich in einer bescheidenen Hütte zur Welt kam, die in der Nähe eines Sumpfes gelegen war, und in den ersten Jahren meines Lebens viele Nächte durch den Gesang der Frösche in den Schlaf gewiegt wurde. Tatsächlich war dieser meine erste Sprache, und heute noch bilden sich in meiner  Kehle die süßen Laute der Kindheit, ohne daß ich sie zurückdrängen könnte.« Der Herr Graf, der beim Quaken der Frösche zu weinen aufgehört hat, leckt mit der Zunge die letzte Träne ab. »Sagte Cicero denn nicht«, fahren Sie fort, um Ihren Worten noch mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, »daß die Seele der Kinder gleichsam ein Spiegel ist, in dem sich die Natur abbildet? Und sagen die Chinesen nicht, daß Erinnerungen mehr Aroma haben als ein vollerblühter Fliederstrauch?« Der Herr Graf lächelt, entzückt ob Ihrer Bildung. Stellen Sie sich jetzt aber vor, die Frösche, denen jeder Sinn für Schicklichkeit abgeht, beginnen von neuem zu quaken, während Sie ihm all das erzählen. Was sollen Sie dann tun? - (marq)

Bauchredner (3)  Die Bauchredner sind in jeder Lebenslage gut für böse Streiche. Ein Bauchredner zur Zeit der Postkutschen, der mit den Reisenden in der Postkutsche saß, ahmte die Räuber nach, die von draußen Börse oder Leben forderten, und da er sich den anderen als Vermittler anbot, übergaben ihm alle die Juwelen, damit er sie den Räubern aushändige.

Ein anderer Bauchredner, der Mitleid mit einer müden und von ihrem Herrn gequälten armen Eselin hatte, ließ diese sprechen und sich bitter beklagen, wodurch er die Achtung des Besitzers gegenüber seinem Tier erreichte.

Wieder ein anderer Bauchredner wollte einmal ein Schwein kaufen und weil die Besitzerin im Preis nicht heruntergehen wollte, wandte er sich an das Schwein:

- Sie werden schon sehen, daß Ihr Schwein vernünftiger ist ... Was meinst du?

- Ich, sagte das Schwein, meine, daß ich diese zehn Duros nicht wert bin ... daß ich Trichinen habe und meine Besitzerin Sie betrügen will.

Es erübrigt sich zu sagen, daß die Besitzerin das Tierchen ganz schnell verkauft hat.

Das sind die klassischen Erinnerungen daran, was die wandernden Bauchredner in jener Zeit vermochten, als die Welt mehr als heute ein Dorf war.

Dem Bauchredner von heute gelingen ganz andere Dinge, auch ist er einfallsreicher. Einem gelang es, sich vor einem Zugdieb zu retten, der durch das Fenster in sein Abteil eingedrungen war, indem er die Stimme des Schaffners oder der Guardia Civil auf dem Gang imitiert hat. Der sich als Redner ausgebende Bauchredner braucht bei seinen Vorführungen keine »claque«, weil er mit verschiedenen Stimmen die Bravorufe aus allen Ecken des Theaters nachahmen kann.  - (cirkus)

Bauchredner (4)
 

Redner Täuschung Lustigmacher

 

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