Bar, schottische   Wimsey saß an dem Abend, als der unselige Streit zwischen Campbell und Waters ausbrach, in der Bar der McClellan Arms. Campbell, ein Landschaftsmaler, hatte sich vielleicht ein paar Kurze mehr als unbedingt nötig hinter die Binde gegossen, mehr jedenfalls, als einem Rothaarigen guttaten, und das hatte zur Folge, daß er sein militantes Schottentum noch mehr herauskehrte als sonst. So erging er sich nun in einer langen Lobeshymne auf die Heldentaten der «Jocks» im Großen Krieg, die er nur einmal kurz unterbrach, um Waters in Klammern sozusagen mitzuteilen, daß alle Engländer von Bastardgeblüt und nicht einmal imstande seien, ihre eigene dämliche Sprache richtig auszusprechen.

Waters war Engländer aus echtem Schrot und Korn und, wie alle Engländer, durchaus bereit, alle Ausländer außer Welschen und Niggern zu bewundern und zu preisen, doch wie alle Engländer hörte er nicht gern ihr Eigenlob. Laut in aller Öffentlichkeit mit seinem Land anzugeben, fand er ungehörig - wie wenn sich einer im Rauchsalon über die körperlichen Vorzüge seiner eigenen Frau ausließ. Er hörte mit jenem nachsichtigen, versteinerten Lächeln zu, das Fremde meist - und völlig zu Recht - als Zeichen unerschütterlicher Selbstzufriedenheit deuten, die es nicht einmal für nötig hält, sich selbst zu rechtfertigen.

Campbell wies darauf hin, daß in London alle wichtigen Ämter von Schotten besetzt seien, daß es England nie gelungen sei, Schottland zu unterwerfen, und wenn Schottland seine Unabhängigkeit wünsche, dann werde es sie sich weiß Gott nehmen, und wenn gewisse englische Regimenter aus den Fugen gegangen seien, habe man nach schottischen Offizieren rufen müssen, um sie wieder auf Vordermann zu bringen, und wenn mal eine Einheit irgendwo an der Front in die Klemme geraten sei, habe das Wissen, die Jocks an ihrer linken Flanke zu haben, ihr sofort wieder Mut gegeben. «Frag nur mal einen, der im Krieg war, mein Junge», endete er, sich somit gegenüber Waters, der erst nach Kriegsende ins wehrfähige Alter gekommen war, unfair in Vorteil bringend, «und er wird dir schon sagen, was sie von den Jocks gehalten haben.»

«Ich weiß», antwortete Waters mit niederträchtigem Grinsen. «Ich kenne den Spruch, den sie auf die Schotten gemacht haben: <Sie machen soviel Wind .. .>»

Da er von Natur aus höflich und zudem in der Minderheit war, sparte er sich die zweite Hälft dieses anzüglichen Spruchs, aber die konnte Campbell auch selbst ergänzen. Seine wütende Entgegnung enthielt ebenso viele nationale wie persönliche Schmähungen.

«Das Schlimmste an euch Schotten», sagte Waters, als Campbell einmal Luft holen mußte, «ist euer Minderwertigkeitskomplex.»

Er leerte gleichmütig sein Glas und lächelte Wimsey an.

Wahrscheinlich war es noch mehr dieses Lächeln als der Hohn, was Campbeils Faß zum Überlaufen brachte. Er gebrauchte zuerst ein paar kurze, überaus bedauerliche Ausdrücke, dann beförderte er den Inhalt seines noch mehr als halbvollen Glases in Waters' Gesicht.

«Aber nicht doch, Mr. Campbell!» protestierte Wullie Murdoch, der solches in seiner Bar nicht gerne sah.

Aber inzwischen ließ Waters noch Betrüblicheres von sich hören als Campbell, während sich beide in Glasscherben und Sägemehl wälzten.

«Dafür breche ich dir dein wertes Genick», zischte er wütend, «du dreckiger Schottenlümmel.»

«Heda, aufhören, Waters», sagte Wimsey, indem er ihn beim Kragen packte. «Seien Sie doch nicht kindisch. Der Mann ist betrunken.»

«Los, Mann, komm weg da», sagte McAdam, der Fischer, indem er Campbell mit seinen kräftigen Armen umspannte. «Das ist doch kein Benehmen. Sei still.»

Die Kämpfer ließen keuchend voneinander ab.

«So geht das nicht», sagte Wimsey. «Wir sind hier nicht im Völkerbund.» - Dorothy L. Sayers, Fünf falsche Fährten (The Five Red Herrings). Reinbek bei Hamburg 1980  (zuerst 1931)

bar Schotten

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