Ballsaal   Ballenbaugh der Sohn, wiederum ein Riese, kehrte im Jahre 1865 in einem Rock, der, wie man sagte, mit unzerschnittenen U.S.A.-Banknoten gefüttert war, aus [wie er sagte] Arkansas zurück, wo er [wie er sagte] bei einer Reitertruppe von Partisanen gedient und deren Kommandant [an dessen Namen er sich später nie erinnern konnte] ihn in Ehren verabschiedet hatte - zeigte er, daß er nichts von seiner alten Flinkheit und Gewandtheit und Allwissenheit eingebüßt hatte. Früher suchten die Leute Ballenbaugh auf, stets in der Nacht und oft sehr rasch, um ihm genügend Zeit zu geben, damit er die Kuh oder das Pferd im Sumpf verstecken konnte, ehe die Polizei oder der Besitzer erschienen. Denn außer den Scharen wütender Farmer, die den Fußspuren der nicht zurückkehrenden Pferde und Rinder folgten, und außer den Sheriffs, die die Spuren von Mördern bis in Ballenbaughs Haus hinein verfolgten, hinterließ auch mindestens ein staatlicher Steuereinnehmer ein Paar nicht zurückkehrender Fußspuren. Denn wenn Ballenbaugh senior den Whisky nur verkaufte, stellte junior ihn auch her; er war jetzt der Wirt eines Etablissements, das sich hinter dem euphemistischen Ausdruck »Ballsaal« versteckte, und Mitte der achtziger Jahre war »Ballenbaughs« auf Meilen in der Runde gleichbedeutend mit Schauder und Empörung; Pfarrer und alte Damen versuchten Sheriffs zu ernennen, deren gesamtes Parteiprogramm darin bestehen sollte, Ballenbaugh und seine Betrunkenen und Musikanten und Glücksspieler und Mädchen aus dem Yoknapatawpha-Bezirk und wenn möglich aus ganz Mississippi zu verjagen. Doch uns Außenstehenden machten Ballenbaugh und seine Umgebung — sein Stall oder Vergnügungspark oder wie man es nun nennen will — nicht zu schaffen: sie kamen nie aus ihrem Bau hervor, und schließlich wurde kein Mensch durchs Gesetz gezwungen, dort hinzugehen; überdies schien seine neue Berufung [Fleischwerdung] so lohnend zu sein, daß es sich bald herumsprach: jeder, der keinen höheren Ehrgeiz kannte und nichts Besseres vorzuweisen hatte als eine lahme Mähre oder eine nicht mehr milchende Kuh, sei dort nicht länger willkommen. Daher ließen vernünftige Leute einfach die Finger von Ballenbaughs. Und zu ihnen gehörten bestimmt auch die Sheriffs, die nicht nur vernünftig, sondern auch Familienväter waren und an das Beispiel von dem Steuereinnehmer dachten, der vor gar nicht so langer Zeit in der dortigen Gegend verschwunden war.  - (spit)

Ballsaal (2)   Ich gehe die Treppe hinauf und betrete die Arena, den großen Ballsaal der käuflichen Sexadepten, den jetzt ein warmes Boudoir-Licht durchflutet. Die Phantome drehen sich in einem süßlichen Kaugummi-Dunst, Knie leicht gebeugt, Hintern gespannt, Fußknöchel im pudrigen Saphirlicht schwimmend. Zwischen Trommelschlägen höre ich unten auf der Straße die Sirene des Rettungswagens, dann die der Feuerwehr und schließlich die des Überfallkommandos. Der Walzer wird schmerzlich perforiert, kleine Schußlöcher hüpfen über die Mechanik des elektrischen Klaviers, dessen Spiel im Lärm ertrinkt, denn es steht mehrere Blocks entfernt in einem Gebäude ohne Feuerleitern. Sie ist nicht auf der Tanzfläche. Vielleicht liegt sie im Bett und liest ein Buch oder treibt es mit einem Preisboxer oder läuft wie eine Wahnsinnige über ein Stoppelfeld, hat einen Schuh verloren, den anderen noch an, von einem Mann namens Corn Cob hitzig verfolgt. Wo immer sie sein mag, ich stehe in völliger Dunkelheit - ihre Abwesenheit löscht mich aus.
- Henry Miller, Sexus. Reinbek bei Hamburg 1980 (zuerst 1947)

 

Ball Saal

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe

Synonyme