allon
 

Ein Ballon bewegt sich leise. Menschenhälse strecken sich. Tramways stürzen aus dem Gleise. Droschkengäule töten sich. Auf den Dächern tanzen Greise. Jungfraun platzen männertoll. Ein Ballon bewegt sich leise, Lächelnd und sehr würdevoll.

 - Friedrich Wilhelm Wagner, Jungfraun platzen männertoll. Siegen 1986 (Vergessene Autoren der Moderne XXI, zuerst 1920)

Ballon ⁽²⁾  Er hatte ein leichtes, unmerkliches, elektrisches Zittern, der Gaucho, aber er erklärte das alles mit einem Diagramm von Körperflüssigkeiten und Luftstömungen.

»Wir sind aus Luft gemacht«, sagte er. »Haut und Luft. Im Inneren ist dann alles feucht, zwischen der Haut und der Luft.« Er versuchte, eine wissenschaftliche Erklärung zu liefern, der blonde Gaucho. »Da sind so Röhrchen...«

Die Vision des Menschen als Ballon wurde ihm bestätigt, als er sah, wie dem Kerl, den er mit der Nähnadel abgestochen hatte, die Luft ausging, so daß er wie ein verbrauchter Putzlappen auf dem Boden liegenblieb. Wie ein dreckiges Kleiderbündel, der Typ.

»Wir sind aus Saft, Luft und Blut gemacht«, sagte der Gaucho in einer koksbeflügelten, redseligen Nacht.

»Richtig redselig«, erzählte der Nene und erinnerte sich. »Er hatte sich diesen erstklassigen Stoff reingezogen, den wir im Handschuhfach im Schlitten des Abgeordneten gefunden hatten.«

»Es gibt so Röhrchen«, sagte Dorda und berührte seine Brust, »die gehen da rum«, er tastete sich mit den Fingern zwischen den Rippen ab, »die sind wie aus Plastik und werden leer und dann wieder voll, leer und voll. Wenn sie voll sind, denkst du, wenn sie leer sind, schläfst du. Wenn du dich an was erinnerst, sagen wir, als du noch klein warst, dann schlittern sie in der Luft, hier kommen sie durch, die Sachen, an die du dich erinnerst, die Erinnerungen. Nicht wahr, Nene?«

»Klar doch«, sagte Brignone und gab ihm recht.  - Ricardo Piglia, Brennender Zaster. Berlin 2001