aldanders  

 

Das Titelblatt der ersten Auflage des Grimmelshausenschen Simplicissimus zeigt den Baldanders, der jede Gestalt annehmen kann: die eines Menschen, einer Eiche, einer Sau, einer Bratwurst, eines Kleefeldes, eines Kuhfladens, einer Blume, eines Zweiges, eines Wandteppichs und vieler anderer Wesen und Dinge. Das Bild zeigt eine Momentaufnahme in der Kette der Verwandlungen: ein Wesen mit dem Kopf eines Satyrs, Rumpf und Armen eines Menschen, dem Hinterleib und den Flügeln eines Vogels, dem Schwanz eines Fisches und einem Ziegenfuß und einer Hahnenkralle. Er schreitet über Masken, die er annehmen kann. Er kann sprechen und seine Herkunft belegen: "Mein Ursprung ist aus dem Paradies, und mein Tun und Wesen besteht solange die Erde bleibt.“ Er "verändert die Händel der Menschen mannigfaltig; macht bald groß, bald klein; bald reich, bald arm; bald hoch, bald nieder; bald lustig, bald traurig; bald bös, bald gut und in summa bald so und bald anders“. - (buch)

Baldanders (2)  wurde dem Nürnberger Schuhmachermeister Hans Sachs von jenem Kapitel der Odyssee eingegeben, in dem Menelaos den ägyptischen Gott Proteus verfolgt, der sich in einen Löwen, eine Schlange, einen Panther, einen riesigen Eber, in einen Baum und in Wasser verwandelt. Hans Sachs starb 1576; etwa neunzig Jahre später taucht Baldanders im sechsten Buch [9. Kapitel] des phantastischen Schelmenromans Simplicius Simplicissimus von Grimmelshausen wieder auf. In einem Wald stößt der Held auf eine Figur aus Stein, die ihm ein Götze aus einem alten germanischen Tempel zu sein scheint. Er berührt sie, und die Figur sagt ihm, sie sei Baldanders, und sie nimmt die Gestalt eines Menschen, einer Eiche, einer Sau, einer Wurst, einer mit Klee bewachsenen Wiese, einer Blume, eines blühenden Zweiges, eines Maulbeerbaumes, eines seidenen Wandteppichs und vieler anderer Dinge und Wesen an, und dann von neuem die eines Menschen. Sie gibt vor, Simplicissimus in der Kunst zu unterweisen, »mit allen Sachen, so sonst von Natur stumm sind, als mit Stühlen und Bänken, Kesseln und Hafen« zu sprechen; sie verwandelt sich auch in einen Schreiber und schreibt die Worte aus der Offenbarung des Johannes: »Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende«, die den Schlüssel zu dem in Geheimschrift abgefaßten Dokument bedeuten, in dem sie ihm die Anweisungen erteilt. Baldanders setzt hinzu, sein Wappenbild sei (wie das des Türken und mit mehr Berechtigung) der unbeständige Mond.

Baldanders ist ein sukzessives Ungeheuer, ein Ungeheuer in der Zeit; das Titelblatt der Erstausgabe des Romans von Grimmeishausen zeigt einen Stich, der ein Wesen mit dem Kopf eines Satyrs, dem Rumpf eines Menschen, den ausgebreiteten Flügeln eines Vogels und dem Schwanz eines Fisches darstellt; ein Ziegenbein und ein Geierbein stehen auf einem Haufen von Masken, welche die Individuen der Gattungen sein können. Im Gürtel trägt es ein Schwert, und in den Händen hält es ein offenes Buch mit den Abbildungen einer Krone, eines Segelschiffes, eines Kelches, eines Turmes, eines Kindes, einiger Würfel, einer Schellenkappe und einer Kanone. - (bo)

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