ahnhof   Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten ohne daß Sie am Flughafen noch einchecken müssen dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen am am Hauptbahnhof in München starten Sie ihren Flug zehn Minuten schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an wenn Sie in Heathrow in London oder sonstwo meine s Charles de Gaulle in äh Frankreich oder in Rom wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn Sie Frankfurt sich ansehen dann werden Sie feststellen daß zehn Minuten Sie jederzeit locker in Frankfurt brauchen um ihr Gate zu finden - Wenn Sie vom Flug- äh vom Hauptbahnhof starten Sie steigen in den Hauptbahnhof ein Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen in an den Flughafen Franz-Josef Strauß dann starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München - das bedeutet natürlich daß der Hauptbahnhof im Grunde genommen näher an Bayern an die bayerischen Städte heranwächst weil das ja klar ist weil aus dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern zusammenlaufen. - Edmund Stoiber

Bahnhof  (2)  Da heißt es umsteigen. Der Bahnhof liegt exzentrisch, vielleicht in einer Berliner Vorstadt; Züge kommen zu ebener Erde und als Hochbahn, Untergrundlinien führen in die Stadt. Das Ganze ist düster, verworren wie Piranesis »Carceri«. Die Gänge sind labyrinthisch, von Sperren und Schaltern unterbrochen, stoßweise, wie in Wehen, von beängstigendem Gedränge erfüllt. Es gibt Irrwege, verlorene oder falsche Fahrkarten, geraubtes Gepäck, Trennung von den Gefährten, verkehrte Bahnsteige, verpaßte Anschlüsse. Mein Gott, das Ziel wird nie erreicht werden. - Ernst Jünger, Notat vom 1. November 1965. Siebzig verweht I. Stuttgart 1980

Bahnhof  (3)  

Abwesenheit

grau grau graues durcheinander
von wo kein zug abfährt wo ein riesiger rabe
sich schwarz zwischen die schienen setzt
bahnhof das ist aller orte kältester nachts
schläft niemand

seht unsre gesichter vom laster zerfetzt und
wenn der bahnhof abfährt seht uns trinken
gefangenschaft trinken aus schmutzigem glas
trinken bis der teufel kommt sprechen
zu keinem und alternd noch immer uns wundern
über die gedanken des zerrauften haars

sommer winter jahrhunderte kommen vorüber
uns berühren sie nicht seht uns verweilen
im rauch der rasenden wartesäle einmal
weinen ein paar mal lachen und lauschen
wenn vor dem fenster ein betrunkner
wie verrückt einen namen schreit.

- Wolfgang Hilbig

Bahnhof  (4)

Bahnhof  (5) Wenn man einen eleganten Bahnhof wie die Gare de l'Est von seinem großen Vorplatz aus sieht, würde man ihn nicht für einen Ort der Melancholie, der traurigen Ereignisse halten. Von hier aus ging's an die Front. Oft kehrten nur Zinksärge zurück. Hier gab Madame Bessarabo nach Nancy die Leiche ihres Mannes als Stückgut auf. Und hier hinterließ 1948 ein graugekleideter Mann, den man nie mehr wiedersah, bei der Gepäckaufbewahrung eine Offizierskiste (schon wieder Krieg!) mit der Leiche einer enthaupteten Frau, die nicht identifiziert werden konnte.  - Léo Malet, Wie steht mit Tod?  Reinbek bei Hamburg 1985

Bahnhof  (6)   Dosen mit Spatengold kosten zwei Mark, das kann man gelten lassen. An gelb lackierten Stehtischen unterhalten sich Semipenner ungezwungen mit jedem, der das gut findet, es sei denn mit Schnorrern. Eine Frau.

Ihr Gesicht muß irgendwann hübsch gewesen sein. Gezeichnet vom Suff wirkt es immer noch freundlich, voller Leben, ihre Augen blinzeln frech, und ihr Haar ist von pechschwarzem Glanz. Wenn sie jemanden ansieht, stößt sie ihre Zunge an die Zähne und läßt den Mund einen Spaltbreit offen. Auch von der Bierdose schlürft sie nicht ohne Erotik. Ihre Figur ist schlank geblieben, steckt in Jeans und einer Art abgewetztem Poncho. Dem runzligen Kerl, der permanent einen Arm um sie legen will, greift sie ohne Arroganz an die Eier, «Das isda Kokosnußcharlie!» erklärt sie allen, Kokosnußcharlie grinst selbstbewußt, nickt mir zu, liegt im Kampf um die Gunst der späten Madonna klar in Führung, neidische Blicke von überallher stützen seine Zufriedenheit ab. Ich könnte den Wettkampf noch einmal entfachen, das gibt mir die Frau zu verstehen. Mit einem Zwinkern. Aus der Hüfte. Quasi. Laß gut sein.

Trinker in schmierigen Mänteln, Trinker in kurzärmligen Hemden. Uniformiert der jugoslawische Nachtportier des Eden-Wolff-Hotels gegenüber, wortführend in der Diskussion über die Unterschiede zwischen deutschem und jugoslawischem Fußball, dazu hat fast jeder was zu sagen. Auftritt von links: Vokuhila mit Schnauzer und Fliegerjacke. Purer Abschaum. Geschäftsführer einer Bar in der Schiller-Straße. Behauptet er. Prahlt, wieviel Gesocks er heute schon vor die Tür gesetzt hat. Öffnet stolz die Jacke, zeigt sein Arsenal: ein Baseballschläger, ein Gummiknüppel mit eingebautem Reizspray, eine Tränengaspistole. Alles legal, betont er, weil in wenigen Metern Entfernung zwei Bahnbullen rumstehn, er dürfe damit nur nicht auf Versammlungen. Boah ey - der kennt das Gesetz. Man schweigt beeindruckt. Sein Kompagnon, ein junger Debiler mit Gesichtsrose, versucht mich zu provozieren, weil ich das Wort Defensivlethargie gebraucht hab, das hier nicht hergehört. Klugscheißer müssen gejagt werden, sagt er. Meine Scheiße ist nicht klüger als deine, sag ich. Dagegen hat er nichts einzuwenden, das sei korrekt.   - Helmut Krausser, Schweine und Elefanten. Reinbek bei Hamburg 1999

Bahnhof  (7)

 

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