(hwh2)
Badewasser (2) Zu den sich hartnäckig haltenden Gerüchten gehört die Behauptung, dass sich der Strudel im Badewannenauslass auf der Nordhalbkugel stets andersherum dreht als auf der Südhalbkugel. Und zumindest theoretisch spricht die Corioliskraft für einen Rechtsdrall im Norden. Diese Kraft beschreibt die Ablenkung durch die Erdrotation, sie funktioniert wie folgt: Die Erde dreht sich einmal in 24 Stunden. Damit legt ein Punkt auf dem Äquator 1674 Kilometer in der Stunde zurück, am Pol dreht er sich in 24 Stunden gerade einmal auf der Stelle. Startet ein Luftteilchen vom Äquator zum Nordpol, bringt es die höhere Bewegungsenergie mit in Breiten, deren West-Ost-Bewegung infolge des geringeren Erddurchmessers kleiner ist. Das Teilchen ist dort schneller als die sich drehende Erde und weicht auf seinem Weg in östlicher Richtung ab (also nach rechts). Kommt das Teilchen vom Nordpol, würde die Erde schneller werden, sich unter dem Teilchen gleichsam wegdrehen, das deshalb wiederum nach rechts abdriftet
Die Corioliskraft zwingt große Luftdruckmassen in eine bestimmte
Bahn. Auf der Nordhalbkugel zirkulieren Tiefdruckgebiete immer gegen, Hochdruckgebiete
immer mit dem Uhrzeigersinn. Auf der Südhalbkugel ist es umgekehrt. Sie
würde auch in der Badewanne wirken, wenn man diese - wie ein australischer
Mathematiker errechnet hat - um den Faktor 500 vergrößerte. Ansonsten übertreffe
die Wirkung aller zufälligen Kräfte auf die Wanne die Corioliskraft
bei weitem. Die Ablaufrichtung ist also reiner Zufall.
- (Tagesspiegel vom 27.02.2000)
Badewasser (3) ›Na warte, micht legst du nicht aufs kreuz, du alte sibylle!‹ rief Mary Wollstonecraft Shelley und sprang, nachdem sie sich blitzschnell entkleidet hatte, nackt in die trockene wanne. ›Ich weiß sehr wohl, was du vorhast‹, fügte sie hinzu, ›du willst wieder einmal eine schau abziehen, indem du die beiden vor meinem geschöpfe bewahrst. Aber daraus wird nichts — mein monster wartet nun seit etwas mehr als hundertundfünfzig jahren auf eine braut, und er soll sie auch endlich haben !‹
Sie hielt die luft an, machte sich extrem dünn und schlüpfte in das
schleimige abflußrohr der badewanne, denn sie
wußte ja: Dieses rohr führt ohne abzweigung bis an den mittelpunkt
der erde. Und im strome, der den mittelpunkt der erde durchfließt, würde
sie wieder auftauchen, prustend und atemlos
zwar, aber doch noch frühe genug, um frau Holle an der ausführung ihres
rettungswerkes zu hindern und ihr solcherart die schau zu stehlen. Das
abflußrohr gab einen vulgären schmatzlaut von sich, als Mary Wollstonecraft
Shelley darin verschwand, allein die seifen
und lotionen im badezimmer dufteten wie je zuvor. - H. C. Artmann,
Frankenstein in Sussex. Frankfurt am Main 1969 (es 320)
Badewasser (4) Ich ließ das Wasser
herausrinnen, während ich noch sitzenblieb. Das Wasser floß sehr langsam ab,
und als ich zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen dasaß, kam es mir vor, wie
wenn auch ich selber, mit den gemächlichen Rucken des Wassers, nach und nach
kleiner wurde und mich schließlich auflöste. - Peter Handke, Der kurze Brief zum langen Abschied. Frankfurt am
Main 1972
Badewasser (5)