ademantel  »Du hättest ihn nicht töten sollen«, sagte Lily.

Ich griff nach dem Feuerzeug. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern. Ich spürte, wie ich allmahlich das Bewußtsein verlor. Ich hatte Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Noch ein Schuß. Es wurde schnell gehen.

»Mike ...«

Ich brachte die Augen auf. Ein starker, durchdringender Geruch umgab sie. Er war sehr stark. Trotzdem war sie immer noch schön. »Einmal dachte ich fast, ich konnte dich lieben. Mehr als ... ihn. Aber es stimmte nicht, Mike. Er hat mich akzeptiert, so wie ich bin. Er hat mir das Leben gegeben, zumindest, nachdem ... es passiert ist. Er war mein Arzt. Ich war seine Patientin. Ich habe ihn geliebt. Du hättest mich verabscheut. Ich kann es in deinen Augen sehen, Mike. Du hättest mich verabscheut.

Er war auch tödlich, Mike ... aber nicht wie du. Du bist noch schlimmer. Du bist tödlich, aber auch du hättest es nicht ertragen können. Schau mich an, Mike. Möchtest du mich jetzt küssen? Du wolltest früher. Möchtest du jetzt? Ich wollte, daß du mich küßt ... das weißt du doch, oder? Ich hatte solche Angst vor jeder Berührung. Du wolltest mich küssen ... küß mich.«

Mit den Fingern nestelte sie am Gürtel des Bademantels und löste ihn. Langsam öffnete sie ihn ... und dann konnte ich sehen, wer sie wirklich war. Mir wurde noch übler als vorhin. Der Magen drehte sich mir um, und ich wollte mir nur noch die Seele aus dem Leib kotzen.

Sie war eine furchtbare menschliche Karikatur! Da war keine Haut, nur eine widerliche Masse von vernarbtem, runzeligem Fleisch von den Knien bis zum Hals. Sie war eine schauderhafte Monstrosität, vor der man unwillkürlich die Augen verschließen wollte.

Die Zigarette fiel mir beinahe aus dem Mund. Das Feuerzeug in meiner Hand zitterte, aber ich kriegte es auf.

»Es war ein Feuer, Mike. Findest du mich jetzt noch anziehend?«

Sie lachte, und ich hörte den Wahnsinn in ihrer Stimme. Die Knarre drückte sich gegen meinen Gürtel, als sie sich vornüber beugte und den Ekel mit sich brachte. »Du wirst gleich sterben ... aber vorher darfst du es noch tun. Tod ... Tod ... küß mich.«

Das Lächeln auf ihren Lippen war wie festgefroren, und bevor es mich erreichte, ließ ich die Flamme des Feuerzeugs auflodern. In einer Sekunde verwandelte sich ihr Schrei in ein wildes Gebrüll voller Todesangst, und sie ging in einem züngelnden Flammenmeer zu Boden. Das blonde Haar verglühte in dem blauen Feuer des Alkohols zu schwarzer Asche, und ihr Körper krümmte sich unter den unbeschreiblichen Schmerzen. Wie Reißzähne fraßen sich die Flammen in die Narben der alten Verbrennungen, zerrten und rissen daran, und ihre Stimme gellte wie das Wüten des Todes.

Ich konnte nicht zusehen und mußte mich abwenden. Ich war nah bei der Tür, und wenn mir noch genug Kraft blieb, konnte ich es schaffen. -  Mickey Spillane, Küß mich, Tod. Hamburg 1999 (zuerst 1952)

Bademantel (2) Gestern abend hatte ich einen alten, abgetragenen weißen Bademantel dort hingehängt.

Doch jetzt war der Bademantel kein Bademantel mehr. So blind wie ich war, ohne die Brille, die auf dem Fußboden neben dem Bett lag, hatte der Bademantel sich... verwandelt.

Er war jetzt ein Untier, das Ungeheuer.

Damals, im Osten, in Illinois, ich war gerade fünf, mußte ich, wenn ich nachts auf die Toilette wollte, eine dunkle Treppe hinaufgehen; oben wartete immer das Tier, außer, wenn die kleine Wandlampe brannte. Manchmal vergaß meine Mutter, sie anzumachen. Dann gab ich mir schreckliche Mühe, nicht hochzuschauen, bis ich oben angekommen war. Doch ich hatte immer Angst und mußte einfach hochgucken. Und das Tier war immer da, während draußen, in der nächtlichen Ferne, dunkle Lokomotiven vorbeidonnerten, Leichenzüge liebe Vettern oder Onkel wegtrugen. Diese Züge wurden immer länger, je älter ich wurde. Bis ich sieben, acht, neun Jahre alt war, war eine ganze Reihe von Tanten und mein Großvater gestorben; ich hatte gesehen, wie sie aufgebahrt dalagen, mit Blumen überhäuft, wie man sie hinabließ in die Erde, wo schon Dutzende anderer Verwandter lagen, und das Donnern der Züge wurde lauter in diesen Nächten, und da war der Tod, war das Tier, gestaltlos, nur Nacht und Sterne, wartete auf mich, beobachtete mich, wie ich unten am Fuß der Treppe stand und...

Schrie.

Denn jetzt hing es dort, das Tier, an der Tür, die in die Dunkelheit, den Flur, die Küche, das Bad führte.

Gott sei Dank, dachte ich, fahren die großen roten Züge um diese Tageszeit nicht, und lassen nicht, nur ein paar Häuser weiter, ihre düsteren Signale ertönen.

Tier, dachte ich, verschwinde!

Es verschwand nicht.

Ungeheuer, sagte ich zu der Gestalt an der Tür. Ich weiß, daß es dich nicht gibt. Du bist nichts. Du bist mein Bademantel.

Das Dumme war, daß ich nicht viel sehen konnte.

Wenn ich nur an meine Brille käme, dachte ich, wenn ich sie aufsetzen und aus dem Bett springen könnte.

Doch meine Hand zitterte so sehr, daß ich nicht verstohlen hinablangen, meine Brille packen konnte.

Ich lag da, war acht Jahre alt und dann sieben und fünf und dann vier, wurde kleiner, immer kleiner, und gleichzeitig wurde das Tier an der Tür immer größer und dunkler und länger.

Ich wagte nicht, auch nur zu blinzeln. Hatte Angst, diese Bewegung würde das Tier lautlos herabschweben und...

Sachte meine Füße berühren lassen.  - Ray Bradbury, Der Tod ist ein einsames Geschäft. Zürich 1989

Bademantel (3)  An einem Kleiderständer aus gedrechseltem Holz hängt ein Morgenrock aus grünem Satin, auf dessen Rücken eine Katzensilhouette gestickt ist, sowie das auf den Karten das Pik darstellende Symbol. Beatrice Breidel zufolge soll dieses Hauskleid, dessen sich ihre Großmutter hin und wieder noch bedient, der Bademantel eines amerikanischen Boxers namens Cat Spade gewesen sein, den ihre Großmutter während ihrer Tournee in die Vereinigten Staaten kennengelernt haben und der ihr Geliebter gewesen sein soll. Anne Breidel ist mit dieser Version nicht im mindesten einverstanden. Es stimmt zwar, dass es in den dreißiger Jahren einen schwarzen Boxer namens Cat Spade gab. Seine Karriere war äußerst kurz. Sieger des Militär-Box-Turniers von neunzehnhundert-neunundzwanzig, verließ er die Armee, um Berufsboxer zu werden und wurde nacheinander von Gene Tunney, Jack Delaney und Jack Dempsey, der immerhin schon am Ende seiner Karriere stand, geschlagen. Daher ging er in die Armee zurück. Es ist zweifelhaft, dass er in den gleichen Kreisen verkehrt haben soll wie Vera Orlowa, und selbst wenn sie sich kennengelernt hätten, würde sich diese Weißrussin mit den hartnäckigen Vorurteilen nie einem Schwarzen hingegeben haben, selbst wenn er ein großartiges Schwergewicht war. Die Erklärung Anne Breidels ist zwar eine andere, gründet sich aber ebenfalls auf die zahlreichen Anekdoten, die vom Liebesleben ihrer Ahne erzählen: Der Morgenrock soll in der Tat das Geschenk eines ihrer Geliebten gewesen sein, eines Geschichts-lehrers vom Carson College in New York, Arnold Flexner, Autor einer vielbeachteten Doktorarbeit über Die Reisen Taverniers und Chardins und das Bild Persiens in Europa von Scudery bis Montesquieu, und, unter verschiedenen Pseudonymen - Morty Rowlands, Kex Camelot, Trim Jinemewicz, James W. London, Harvey Elliott -, von Kriminalromanen, die gewürzt waren mit wenn nicht pornographischen, so doch ziemlich freizügigen Szenen: Mord am Pigall, Heiße Nacht in Ankara usw. Sie sollen sich in Cincinnati, Ohio, kennengelernt haben, wo Vera Orlowa engagiert worden war, um die Rolle der Blonde in Die Entführung aus dem Serail zu singen. Unabhängig von ihrem sexuellen Symbolgehalt, den Anne Breidel nur nebenbei erwähnt, sollen die Katze und das Pik ihr zufolge eine direkte Anspielung auf den berühmtesten Roman Flexners sein, Die siebte Sportskanone von Saratoga, die Geschichte eines Taschendiebs, der auf den Rennplätzen seinem Gewerbe nachgeht, dem seine Geschicklichkeit und seine Geschmeidigkeit den Spitznamen Die Katze eingetragen haben und der gegen seinen Willen in eine Kriminaluntersuchung verwickelt wird, die er mit Witz und Bravour löst.

Madame de Beaumont weiß nichts von diesen beiden Erklärungen; sie jedenfalls hat nie den geringsten Kommentar über die Herkunft ihres Bademantels gegeben.  - (per)

 

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