Bachkäfer   Daß Labyrinths musikalische Geschöpfe überleben würden, konnte ihm nichts mehr bedeuten, denn genau das, was er mit ihrer Erschaffung hatte verhüten wollen, die Verrohung der schönen Dinge, ereignete sich vor seinen Augen in ihnen. Doc Labyrinth schaute plötzlich zu mir hoch, das Gesicht war voller Kummer. Für ihr Überleben hatte er gesorgt, gewiß, aber gleichzeitig hatte er jedwede Bedeutung, jedweden Wert in ihnen vernichtet. Ich versuchte, ihm ein wenig zuzulächeln, aber er sah prompt wieder fort.

»Machen Sie sich darüber nicht so viele Gedanken«, sagte ich. »Für das Wagnertier war es keine so große Veränderung. War es nicht schon immer so - ungehobelt und reizbar? Hatte es nicht auch schon vorher einen Hang zur Gewalttätigkeit -«

Ich brach ab. Doc Labyrinth hatte seine Hand mit einem Ruck aus dem Gras gezogen und einen Satz rückwärts gemacht. Er hielt sein Handgelenk gepackt und zuckte vor Schmerzen.

»Was ist denn?« Ich eilte zu ihm hin. Zitternd hielt er mir seine kleine alte Hand entgegend. »Was ist denn? Was ist passiert?«

 Ich drehte seine Hand herum. Überall auf ihrem Rücken waren Male, rote Schnitte, die anschwollen, während ich noch zusah. Er war gestochen worden, gestochen oder gebissen von irgend etwas im Gras. Ich sah nach unten und trat mit dem Fuß auf die Stelle im Gras.

Irgend etwas rührte sich. Ein kleiner goldener Ball rollte rasch davon, zurück ins Dickicht. Er war mit Stacheln übersät wie eine Nessel.

»Fangen Sie es!« rief Labyrinth. »Schnell doch!«

Ich jagte hinter der Kugel her, streckte mein Taschentuch vor und versuchte den Stacheln auszuweichen. Die Kugel warf sich wie wild herum, um mir zu entkommen, aber schließlich hatte ich sie in meinem Taschentuch.

Labyrinth betrachtete das zappelnde Taschentuch, als ich mich wieder erhob. »Ich kann es kaum glauben«, sagte er. »Wir gehen besser zum Haus zurück.«

»Was ist das?«

»Einer von den Bachkäfern. Aber er hat sich verändert . . .«

Durch die Dunkelheit tasteten wir uns voran in Richtung Haus. Ich ging voraus, schob die Aste beiseite, und Labyrinth folgte mir, mürrisch und in sich gekehrt, und rieb sich von Zeit zu Zeit die Hand.

Wir betraten den Hof und stiegen die hintere Treppe des Hauses zur Veranda hinauf. Labyrinth schloß die Tür auf, und wir gingen in die Küche. Er knipste das Licht an und eilte zum Ausguß, um seine Hand unter fließend Wasser zu halten. Ich nahm ein leeres Einmachglas aus dem Schrank und ließ den Bachkäfer vorsichtig hineinfallen. Die goldene Kugel rollte gereizt herum, während ich den Deckel schloß. Ich setzte mich an den Tisch. Keiner von uns sprach: Labyrinth am Ausguß, der seine zerstochene Hand mit kaltem Wasser abspülte, und ich am Tisch, der ich unbehaglich die goldene Kugel in dem Einmachglas betrachtete, die irgendeinen Fluchtweg zu finden versuchte.

»Und?« sagte ich schließlich.

»Es gibt keinen Zweifel.« Labyrinth kam her und setzte sich mir gegenüber. »Es hat eine Metarmorphose durchgemacht. Zu Anfang hatte es gewiß keine giftigen Stacheln. Aber, wissen Sie, wenigstens habe ich doch meine Noah-Rolle gut gespielt.«

»Wie meinen Sie das?«

»Ich habe sie alle geschlechtslos gemacht. Sie können sich nicht fortpflanzen. Es wird keine zweite Generation geben. Wenn die stirbt, wird das das Ende sein.«  - Philip K. Dick, Die Bewahrungsmaschine. In: Und jenseits - das Wobb. Sämtliche SF-Geschichten Bd. 1 Zürich 1998

Käfer

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