Bach   Hinter der Tür der Hellseherin stand ein etwa zehn Jahre altes, schwachsinnig dreinblickendes Mädchen, das ununterbrochen vor sich hin zählte. Als Sonia die Wohnung  betrat, war sie bei 781.493,651 angekommen. Quer durch das Zimmer floß ein Bach, der - weiß Gott wohin - eine unerschöpfliche Flottille von Nußschalen mit sich führte.

„Der Lethe", sagte Mrs. Daisy und zeigte auf den Bach. „Wiederholen Sie die Worte, die ich jetzt sprechen werde, und machen Sie dieselben Bewegungen wie ich."

Und sie begann, in lächerlich pathetischem Tonfall zu reden, und bewegte dazu beide Arme, so als spülte sie in einem Bach Wäsche aus:

„In seiner Jugend, unbesorgt um sich selbst, beschränkt der Mensch sich darauf zu bedauern, daß Haustiere keine Siebenmeilenstiefel sind; mit dreißig kommt ihm der Verdacht, daß er bloß ein Hummer gewesen ist; mit vierzig weiß er es und denkt daran, sich selber nach amerikanischer Art zu verspeisen; mit fünfzig hört er auf, sich zu rasieren, läßt seine Zähne von den Hühnern fressen, die noch am gleichen Abend auf ihren Stangen verenden, und stirbt selbst mit dem Wunsch, daß seine Kinder die Vendôme-Säule umstürzen mögen."   - (per)

Bach (2)  Aleck Sanders, Edmonds' Boy mit den Totschlägern und er mit der Flinte, sie gingen durch den Park und über eine Viehweide hinunter zum Bach, zu der Stelle, wo, wie Edmonds' Boy wußte, der Baumstamm drüberlag, und er wußte nicht, wie es geschah, was vielleicht einem Mädchen hätte zustoßen und allenfalls hätte verziehen werden können, aber doch sonst niemandem, wie er schon halb über den Stamm war und nicht einmal an so etwas dachte, er, der doch oft genug doppelt so weit auf der obersten Zaunstange gegangen war, als ganz plötzlich die bekannte, vertraute besonnte Wintererde kopfüber kippte und flach auf seinem Gesicht lag und er, das Gewehr noch fest in der Hand, nicht von der Erde wegsauste, sondern weg vom hellen Himmel, und er sich noch erinnerte an das dünne, helle Klirren des brechenden Eises und wie er nicht einmal den Schock vom Wasser spürte, sondern nur den von der Luft, als er wieder hochkam. Die Flinte war ihm auch entfallen, und so mußte er tauchen, noch einmal untertauchen, um sie zu suchen, heraus, wieder heraus aus der eisigen Luft, hinein in das Wasser, das sich auch jetzt nicht fühlbar machte, weder als kalt noch als nicht kalt, und worin selbst seine durchweichten Kleider - Stiefel, dicke Hosen, Sweater und Jagdrock - nicht einmal schwer wirkten, sondern nur plump, und er fand die Flinte und suchte wieder nach Grund, patschte dann mit der einen freien Hand nach der Uferböschung; Wasser tretend und sich an einen Weidenast klammernd, reichte er die Flinte hinauf, bis ihm jemand sie abnahm: offenbar Edmonds' Boy, da Aleck Sander gerade eben das Ende einer langen Stange zu ihm hinunterstieß, oder es war schon mehr ein Baumstamm, der beim ersten Stoß an ihm vorbei ihm die Füße unterm Leib wegschlug, so daß er wieder mit dem Kopf unter Wasser geriet und er beinahe den Weidenast losgelassen hätte, bis eine Stimme sagte:

»Nimm ihm die Stange aus dem Weg, daß er herauskann«.   - William Faulkner, Griff in den Staub. Zürich 1974 (zuerst 1948)

 

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