Autor, idealer   Seiner Ansicht nach beziehe die Literatur ihren Wert aus ihrem Mystifikationsvermögen, jawohl, in der Mystifikation habe sie ihre Wahrheit, und folglich sei eine Fälschung, als Mystifikation einer Mystifikation, soviel wie eine Wahrheit in der zweiten Potenz.

Er erläuterte mir noch mehr von seinen Theorien, denen zufolge der Autor jedweden Buches eine fingierte Person ist, die der reale Autor erfindet, um sie zum Autor seiner Fiktionen zu machen. Viele seiner Behauptungen kamen mir durchaus einleuchtend vor, aber ich hütete mich, ihm das zu zeigen. Er sagte, er sei an mir vor allem aus zwei Gründen interessiert: erstens weil ich ein fälschbarer Autor sei, und zweitens weil er glaube, ich hätte die nötigen Gaben, um ein großer Fälscher zu werden, ein Schöpfer vollendeter Apokryphen. Ich könnte mithin den seines Erachtens idealen Autor verkörpern, das heißt den Autor, der sich vollkommen auflöst in der Wolke von Fiktionen, die unsere Welt umgibt. Und da Künstlichkeit oder Simulation für ihn die wahre Substanz aller Dinge sei, könne der Autor, der ein perfektes System von Simulationen erfände, sich schließlich mit dem All identifizieren.

Immerfort muß ich an mein gestriges Gespräch mit diesem Marana denken. Auch ich möchte mich auflösen, für jedes meiner Bücher ein anderes Ich erfinden, eine andere Stimme, einen anderen Namen, verlöschen und wiedergeboren werden. Aber es ist mein Ziel, im Buch die unlesbare Welt einzufangen: die Welt ohne Mittelpunkt, ohne Ich.   - Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)

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