utomat  Herons Münzautomat war, wie auch viele andere seiner technischen Wunderapparate, für den Gebrauch in Tempeln gedacht. Den Gläubigen wurde, bei Einwurf eines Fünfdrachmenstücks in den Schlitz des Automaten, eine kleine Menge Weihwasser für die zum Betreten des Tempels notwendige rituelle Waschung dargeboten. Bei Tagesende wurde der Automat von den Tempeldienern geleert, genauso wie das auch heute, noch in einigen katholischen Kirchen gemacht wird, wo es Automaten gibt, bei denen elektrische Kerzen durch den Einwurf einer Münze zum Leuchten gebracht werden können.

Der Münzautomat des Heron funktionierte nach einem ganz einfachen Prinzip: Die Münze fiel in eine kleine Pfanne, die am Ende eines Hebels befestigt war. Ihr Gewicht drückte den Hebel herunter, wodurch ein Verschluß geöffnet wurde, so daß Weihwasser herausfließen konnte. Sobald die Münze beim Niedergehen des Hebels aus der Pfanne herausrutschte, schnellte der Hebel wieder hoch und der Wasserfluß wurde unterbrochen. - (erf)

Automat (2) Die Schwierigkeit, aus einiger Entfernung einen echten Automaten von einem Pseudo-Automaten zu unterscheiden, hat die Neugier der Menschen jahrhundertelang nicht zur Ruhe kommen lassen. Angefangen mit dem menschenähnlichen Portier von Albertus Magnus, der mit einigen Worten die Besucher ins Haus führte, über die eiserne Fliege von Jean Müller, die sich ihm nach jedem Flug wieder auf die Hand setzte, und die berühmte Ente von Vaucanson, bis hin zu dem von Poe verherrlichten Schachspieler, ohne die Homunkuli von Paracelsus bis Achim von Arnim zu vergessen, herrscht immer noch Ungewißheit darüber, ob man es mit einem lebenden Tier, respektive Menschen, oder seinem mechanischen Abbild zu tun hat. Es ist für unsere Zeit bezeichnend, daß sie dieser ärgerlichen Ungewißheit dadurch begegnete, daß sie den Automaten aus der Außenwelt in die Innenwelt verlegte und ihn aufforderte, sich ganz ungeniert innerhalb des Geistes selbst zu produzieren. In der Tat hat die Psychoanalyse in der Gerümpelkammer des Geistes eine anonyme Puppe entdeckt, »ohne Augen, ohne Nase und ohne Ohren«, nicht unähnlich jenen, die Giorgio de Chirico um 1916 malte. Diese Puppe, von den Spinnweben, die sie über und über bedeckten und lahmten, befreit, hat sich von höchster, »übermenschlicher« Gelenkigkeit erwiesen (und aus eben dem Verlangen, ihr volle Bewegungsfreiheit zu verschaffen, ist der Surrealismus entstanden). Diese ungewöhnliche Gestalt, frei von allen monströsen Attributen, die das Geschöpf des bewundernswerten Frankenstein von Mary Shelley verunstalten, erfreut sich der Fähigkeit, sich in Zeit und Raum ohne den geringsten Widerstand zu bewegen und die große Kluft, die, wie allgemein angenommen wird, Traum und Tat trennt, mit einem Satz zu überwinden. Das Wunderbare ist, daß dieser Automat es vermag, in jedem Menschen lebendig zu werden; man braucht ihm nur zu helfen, nach Rimbauds Beispiel, das Gefühl seiner Unschuld und absoluten Macht wiederzuerlangen. - (hum)

Automat (3) Schon auf der Treppe, auf dem Flur, vernahm er ein wunderliches Getöse; es schien aus Spalanzanis Studierzimmer herauszuschallen. — Ein Stampfen — ein Klirren — ein Stoßen —  Schlagen gegen die Tür, dazwischen Flüche und Verwünschungen. »Laß los - laß los - Infamer - Verruchter! - Darum Leib und Leben daran gesetzt? - ha ha ha ha! — so haben wir nicht gewettet - ich, ich hab' die Augen gemacht - ich das Räderwerk - dummer Teufel mit deinem Räderwerk - verfluchter Hund von einfältigem Uhrmacher — fort mit dir — Satan - halt - Peipendreher - teuflische Bestie! - halt - fort - laß los!« - Es waren Spalanzanis und des gräßlichen Coppelius Stimmen, die so durcheinander schwirrten und tobten. Hinein stürzte Nathanael, von namenloser Angst ergriffen. Der Professor hatte eine weibliche Figur bei den Schultern gepackt, der Italiener Coppola bei den Füßen, die zerrten und zogen sie hin und her, streitend in voller Wut um den Besitz. Voll tiefen Entsetzens prallte Nathanael zurück, als er die Figur für Olimpia erkannte; aufflammend in wildem Zorn wollte er den Wütenden die Geliebte entreißen, aber in dem Augenblick wand Coppola, sich mit Riesenkraft drehend, die Figur dem Professor aus den Händen und versetzte ihm mit der Figur selbst einen fürchterlichen Schlag, daß er rücklings über den Tisch, auf dem Phiolen, Retorten, Flaschen, gläserne Zylinder standen, taumelte und hinstürzte; alles Gerät klirrte in tausend Scherben zusammen. Nun warf Coppola die Figur über die Schulter und rannte mit fürchterlich gellendem Gelächter rasch fort die Treppe herab, so daß die häßlich herunterhängenden Füße der Figur auf den Stufen hölzern klapperten und dröhnten. — Erstarrt stand Nathanael - nur zu deutlich hatte er gesehen, Olimpias toderbleichtes Wachsgesicht hatte keine Augen, statt ihrer schwarze Höhlen; sie war eine leblose Puppe. Spalanzani wälzte sich auf der Erde, Glasscherben hatten ihm Kopf, Brust und Arm zerschnitten, wie aus Springquellen strömte das Blut empor. Aber er raffte seine Kräfte zusammen. - »Ihm nach - ihm nach, was zauderst du? - Coppelius - Coppelius, mein bestes Automat hat er mir geraubt - Zwanzig Jahre daran gearbeitet -Leib und Leben daran gesetzt - das Räderwerk - Sprache - Gang - mein - die Augen - die Augen dir gestohlen. - Verdammter - Verfluchter - ihm nach - hol' mir Olimpia - da hast du die Augen! -«

Nun sah Nathanael, wie ein Paar blutige Augen, auf dem Boden liegend, ihn anstarrten, die ergriff Spalanzani mit der unverletzten Hand und warf sie nach ihm, daß sie seine Brust trafen. - Da packte ihn der Wahnsinn mit glühenden Krallen und fuhr in sein Inneres hinein, Sinn und Gedanken zerreißend. »Hui - hui - hui! - Feuerkreis - Feuerkreis! dreh' dich Feuerkreis - lustig - lustig! - Holzpüppchen, hui, schön' Holzpüppchen, dreh' dich -« damit warf er sich auf den Professor und drückte ihm die Kehle zu. Er hätte ihn erwürgt, aber das Getöse hatte viele Menschen herbeigelockt, die drangen ein, rissen den wütenden Nathanael auf und retteten so den Professor, der gleich verbunden wurde. Siegmund, so stark er war, vermochte nicht den Rasenden zu bändigen; der schrie mit fürchterlicher Stimme immerfort: »Holzpüppchen, dreh' dich« und schlug um sich mit geballten Fäusten. Endlich gelang es der vereinten Kraft mehrerer, ihn zu überwältigen, indem sie ihn zu Boden warfen und banden. Seine Worte gingen unter in entsetzlichem tierischen Gebrüll. So in gräßlicher Raserei tobend, wurde er nach dem Tollhause gebracht. -  E. T.A. Hoffmann, Der Sandmann

Automat (4) Man hat Masken des mit einem Schakalkopf dargestellten ägyptischen Gottes Anubis gefunden, deren Kinn mit Schnüren bewegt werden konnten, und man nimmt an, dass die Priester auf diese Weise den Eindruck erweckten, sie erhielten Anweisungen des Gottes, die sie an die Gläubigen weitergaben. Später dann, zwischen dem 4. und dem 1. Jahrhundert vor Chr., ersannen zahlreiche Mechaniker wie Archytas von Tarent, Archimedes, Ktesibios von Alexandria, Philon von Byzanz und Heron von Alexandria Verfahren zur Herstellung belebt erscheinender Maschinen, also Automaten, die mit Hilfe mechanischer Teile die Autonomie von Lebewesen simulieren sollten.

Bis zur Renaissance und in die frühe Neuzeit hinein dienten Automaten - und damit auch die Funktion der Simulation - vor allem spielerischen Zwecken. Erst im 16. Jahrhundert mit Leonardo da Vinci oder François Rabelais und dann im 17. Jahrhundert mit Marin Mersenne und René Descartes begannen die Automaten sich allmählich aus dem Bereich des Spiels und der Unterhaltung zu lösen, und die künstliche Simulation fand auf leisen Sohlen Eingang in die Naturwissenschaften, so dass sie am Aufschwung des Wissens teilhatte. Leonardo da Vinci sah in den Gliedern des menschlichen Körpers Hebel, die durch Schnüre bewegt wurden; Rabelais dachte an Rollen und Zahnräder; Descartes stellte sich Adern und Nerven als Röhren vor, in denen das Blut, die Nervenenergie und die Körpersäfte zirkulierten. Bei den Philosophen wurde es üblich, die Natur mit einer Maschine zu vergleichen und sich Gott als Mechaniker vorzustellen.   - (thes)

Automat (5) Man brachte einen Tisch auf die Bühne, auf dem sich ein kleiner Automat befand, der die französische Gardeuniform trug; er stand Gewehr bei Fuß, bereit, ein Kommando zu befolgen.

Als wohlerzogener Automat begrüßte er zuerst respektvoll die Anwesenden, dann entledigte er sich seiner Waffe und warf mit der rechten Hand Kußhände zu den Kindern, die er im Saal sah; dann ließ er die Arme sinken, hielt sie, wie man beim Militär sagt, an die Hosennaht und stand stramm und unbeweglich da, in Erwartung weiterer Befehle.

Ich lieh mir von mehreren anwesenden Damen vier Ringe und einen weißen Handschuh, machte daraus ein Päckchen und steckte es in ein kleines Gewehr, das ich vorher geladen und schußfertig gemacht hatte. »Hier«, sagte ich zu meinem Gardisten. »Ich gebe Ihnen Ihr Gewehr wieder, es enthält einen Handschuh und vier Ringe; zeigen Sie jetzt Ihre Geschicklichkeit, schießen Sie diese Gegenstände auf jenes Ziel dort.«Ich zeigte ihm eine Säule aus Glas, die auf einem anderen Tisch stand.

Der Automat legte an, brachte den Finger zum Abzug, zielte und gab auf mein Signal Feuer. Die Gegenstände, die sich im Gewehr befanden, wurden gegen die Säule geschleudert, und der Handschuh, aufgeblasen, als würde er von einer unsichtbaren Hand getragen, stellte sich senkrecht auf die Spitze der Säule, mit gespreizten Fingern, an denen sich je einer der mir übergebenen Ringe befand.

Manchmal veränderte ich das Experiment. Ich steckte nur einen Ring und zwei insgeheim von Zuschauem ausgewählte Karten in das Gewehr. Der Automat richtete seine Waffe auf eine Blumenvase, die ich ihm zeigte, und als er feuerte, erschien ein kleiner flügelschlagender Amor inmitten der Rosen, in der Hand eine brennende Fackel, an der unten der Ring hing. Die beiden Karten jedoch waren von ihrem Weg abgewichen und hatten sich auf meine Brust geheftet. - Die Memoiren des Zauberers Robert-Houdin. Hg. Alexander Adrion. Frankfurt am Main 1981 (it 506, zuerst 1858)

Automat (6) Der automatische Flötenspieler von Jacques de Vaucanson, Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften, zählt mit der Ente & einigen anderen Maschinen desselben Erfinders zu den berühmtesten Schöpfungen, die man seit langem gesehen hat.

Angespornt von seinem Erfolg, stellte sein Schöpfer 1741 weitere Automaten aus, die nicht weniger Bewunderung ernteten.

Eine Ente, bei der er den Mechanismus der Eingeweide nachgebildet hat, die der Flüssigkeitsaufnahme, der Nahrungsaufnahme & der Verdauung dienen. Das Zusammenspiel aller für diese Verrichtungen notwendigen Körperteile ist ganz genau dargestellt: Die Ente reckt den Hals, um Korn von der Hand aufzupicken, sie schluckt es, verdaut  es  &  scheidet es  auf dem  gewöhnlichen  Weg vollständig verdaut wieder aus. Alle Bewegungen einer Ente, die ihr Fressen eilig  hinunterschlingt & es durch die Bewegungen des Schlunds noch schneller in den Magen befördern will, sind nach der Natur.  Im Magen wird die Nahrung wie bei echten Tieren durch Auflösung & nicht durch Zermalmen verdaut; & wie bei jenem durch die Gedärme, wird das verdaute Material durch Röhren bis zum Anus befördert, wo sich ein Schließmuskel befindet, der die Ausscheidung ermöglicht. - d'Alembert, (enc)

Automat (7)  Plötzlich vernahm ich in der Nähe lautes Kreischen, wie Frohlocken und Schmerz. — Zu meinem Entsetzen gewahrte ich, daß eine gelbhaarige Dirne einen Betrunkenen mit den Zähnen entmannt hatte. Ich sah seine glasigen Augen, er wälzte sich in seinem Blute; beinahe gleichzeitig sauste ein Beil herab, der Verstümmelte hatte einen Rächer gefunden. Selbstbeflecker zogen sich in die Schatten der Zelte zurück, weiter droben schallte ein Bravorufen, dort paarten sich unsre Haustiere, vom Taumel ergriffen.

Aber den stärksten Eindruck machte mir der halbwache, etwas blöde Ausdruck dieser erhitzten oder blassen Gesichter, der ahnen ließ, daß diese Armen nicht in freier Willensbestimmung handelten. Es waren Automaten, Maschinen, die, in Gang gesetzt, sich selbst überlassen worden waren. - Alfred Kubin, Die Andere Seite. München 1975 (zuerst 1909)

Automat (8)   Es sind Maschinen, Systeme, die es anscheinend zu einem gewissen persönlichen Dasein bringen können und somit der beängstigenden Welt der Automaten angehören, jener Welt, welche von der Lokomotive, die man beim Einfahren in den Bahnhof nachts bisweilen pfeifen und schwere Seufzer ausstoßen hört, vom Motorrad (das ich früher »petrolette« nannte), dessen Geräusch die einleuchtende Bestätigung für die Berechtigung des Ausdrucks »Explosionsmotor« ist, bis hin zum Taucheranzug mit seinem sphärischen Metallkopf reicht, vorbei am Bauchredner, einem Phonographen aus Fleisch und Knochen, der unzählige menschliche Stimmen beherbergt, und vorbei am Schlafwandler, einem Automaten aus Fleisch und Blut, der schon bedenklich nahe an der Leiche ist, in der gewisse innere Bewegungen und bewußtlose Transformationen stattfinden, bevor sie die endgültige Starrheit des Skeletts erreicht. Auch die Erschlaffung der Muskeln, welche die »Entleerung« des Toten bewirkt, der sich aufblähende Bauch, die gurgelnden Eingeweide, ohne den Bart und die Nägel zu vergessen, welche noch eine Weile wachsen, sind Maschineneffekte und Zeichen jenes erbärmlichen Weiterlebens, das, bevor der Tote zum Spuk wird, nun in ihm selbst herumspukt. - Michel Leiris, Die Spielregel 2. Krempel. München 1985 (zuerst 1955)

Maschine
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