usruhen     Von den metaphysischen Untersuchungen, mit denen ich mich eben beschäftigt hatte, war ich so müde geworden, daß ich, bevor ich über die Gegend der Erdkugel, der ich den Vorzug geben wollte, entschied, mich einige Zeit ausruhen und an nichts denken wollte.

Auch diese Daseinsform ist meine Erfindung, und sie ist mir oft von großem Vorteil gewesen, aber es ist nicht jedermann die Kunst gegeben, sie zu gebrauchen. Denn wenn es auch leicht ist, seinen Gedanken dadurch Tiefe zu verleihen, daß man sich eifrig mit einem Gegenstand beschäftigt, so ist es nicht so leicht, plötzlich seine Gedanken anzuhalten, wie man das Pendel einer Uhr anhält. Molière hat sehr zu Unrecht einen Menschen lächerlich gemacht, der seine Freude daran hatte, in das Wasser eines Brunnens Kreise zu zeichnen: ich für mein Teil bin sehr geneigt, diesen Mann für einen Philosophen zu halten, der die Macht hatte, seine Verstandestätigkeit zum Stillstand zu bringen, um sich auszuruhen - eine der schwierigsten Handlungen, die der Menschengeist ausführen kann.

Ich weiß, daß die Leute, welche diese Fähigkeit ohne ihren Wunsch erlangt haben und gewöhnlich an nichts denken, mich des Diebstahls anklagen und die Ehre der Erfindung für sich beanspruchen werden. Aber der Zustand der Verstandesuntätigkeit, von dem ich sprechen will, ist ganz anders als der, den sie genießen und den Herr Necker verteidigt hat*. Der meinige ist immer willkürlich und kann nur von kurzer Dauer sein. - Xavier de Maistre, Nächtliche Reise um mein Zimmer. In: Ders., Zwei Reisen um mein Zimmer. München 1968 (Winkler, Die Fundgrube 39, zuerst 1795)

* »Über das Glück der Dummköpfe«, 1782 (Anmerkung des Verfassers).

 

Ruhe Stillstand

 

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