uslöschung Das Gespenst lehnt zerstreut am großen, verlotterten Fenster der Burg; es ist Nacht, und sein Blick wandert über die steilen Hänge und die engen, von den Ruinen seiner Burg überragten Täler. Während seiner langen Einsamkeit hat das Gespenst sich an sich selbst gewöhnt und versucht nicht mehr, die Ruine, die es bewohnt, zu verlassen oder mit anderen Gespenstern zu sprechen. Langezeit hat der Kummer, nie einen Artgenossen zu treffen, es gequält. Es hätte gerne ein bestimmtes Gespenst treffen mögen, jemanden, den es gekannt hat, es erinnert sich nur noch verschwommen, lange bevor es Gespenst war-aber hatte es da wirklich eine Zeit gegeben, in der es nicht Gespenst war? Plötzlich gewahrt es in der Tiefe des Tals etwas Mattes, ihm ähnliches, das langsam und vorsichtig, wahrscheinlich in Gedanken versunken, näherkommt; und gleich darauf ein zweites mattes Licht, das auf einem fernen, unwegsamen Pfad herannaht.
Das
Gespenst fragt sich, ob wirklich - nach Jahrhunderten - zwei Gespenster gerade
zu ihm kommen; es fragt sich auch, warum sie gerade zu ihm kommen - was sie
dazu bewegt hat und wer es ihnen geraten hat; schließlich, ob sie zusammen gekommen
sind oder getrennt, einander Freund oder Feind. Zum ersten Mal nach vielen Jahren
erlebt das Gespenst wieder das Gefühl von banger Erwartung
und Leid. Wer mag das sein, der so beharrlich mit ihm sprechen möchte? Und wie
- vermittels Liebe oder Haß - haben sie es entdeckt - eingeschlossen in seine
Burg? Und schließlich: warum sind sie beide in derselben Nacht gekommen, es
zu besuchen? Ist vielleicht eins von ihnen das FREUND- und das andere das FEINDGESPENST?
Und welches wollte es eigentlich sehen? Wollte es den Irrtum aufklären, der
das Feindgespenst erzeugt hatte, oder wollte es das unendlich unbeendbare Gespräch
mit dem FREUND fortsetzen? Langsam kommen die beiden Gespenster näher. Aber
hatte es da nicht, so fragt sich das wartende Gespenst, noch ein drittes Wesen
gegeben, nicht Freund und nicht Feind, eine Art von Mittler? Es erinnert sich
jetzt an gar nichts mehr. Wer war dieser Dritte? Starb er nicht zerrissen zwischen
den beiden, die jetzt Gespenster sind, und wurde wohl gar nicht Gespenst? Oder
ist womöglich der Dritte kein anderer als es selbst? Könnte also in dieser Nacht
- falls es das, woran es sich erinnert, nicht mißverstanden hat und falls es
seine Hoffnung nicht täuscht - jenes Gespräch zu dritt wieder aufgenommen werden,
das sie zermürbte bis sie daran starben? Das Gespenst fragt sich, ob es wahr
ist, was man ihm in seiner Kindheit erzählt hat: daß eine Begegnung wie diese,
von ihm ersehnte, die Gespenster sanft verzehrt, sie auslöscht. - (
pill
)
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