usgrabung  Nach drei Tagen, es war ein Freitag, hoben sie das Grab aus. Noch viel mehr Volk hatte sich versammelt als während des Begräbnisses, weil sich die Nachricht über den Wundertäter, den Fakir und Gaukler auch in entfernteren Gebieten verbreitet hatte. Sophia, Petrus und seine Schüler, deren Vorrecht alle anerkannten, standen als Schiedsrichter der Grube am nächsten.

Zuerst hauchte sie ein schrecklicher Gestank an, wie aus der Hölle. Dann sahen sie alsbald unter der ausgegrabenen Erde die dunkel gewordenen, wie verrostet wirkenden Bretter des Sarges. Die Arbeiter schlugen die Keile heraus und hoben den Deckel. Das Gesicht des Simon, den sie den Wundertäter nannten, sah einer zerfressenen, aussätzigen Masse ähnlich, und aus den Augenhöhlen krochen Würmer hervor. Nur die gelblichen Zähne bleckten wie in einem Krampf oder als lachte Simon. - (kis)

Ausgrabung (2)  In ihrem Zorn  und in der Verachtung, die sie schon immer für ihre Erben gehegt hatte, entschloß sich Mme. de Nemours, einen alten, etwas wunderlichen Bastard des letzten Comte de Soissons auszugraben; dieser lebte von den Einkünften der Abtei La Couture und verbrachte seine Tage in Weinschenken. Er war völlig ungesellig und hatte niemals im Heer gedient noch jemals mit einem vernünftigen Menschen Umgang gehabt. Mme. de Nemours lud ihn zu sich ein, gab ihm alles, was sie ihm geben konnte, und das war nicht eben wenig; von da an ließ sie ihn Prince de Neufchâtel nennen (die Orléans-Longueville waren seit 1504 Besitzer Neufchâtels) und bemühte sich, ihm durch eine große Heirat den Rücken zu stärken. Mlle. de Luxembourg war zwar alles andere als schön, jung oder geistreich, doch sie weigerte sich, Nonne zu werden, und eine Mitgift wollte man ihr nicht geben. Die Duchesse de Meckelbourg machte nun diesen neuen Heiratsplan ausfindig. Es widerstrebte weder ihrem noch dem Stolz ihres Bruders, an dergleichen zu denken; sie schrieb ihrem Bruder, dem Duc de Luxembourg, von diesem Plan; es verlockte ihn immerhin gewaltig, sich in Hinblick auf die Souveränität von Neufchâtel, die diesem Bastard gegeben worden war, die Möglichkeit einer eigenen Rangerhöhung vorzustellen. - (sim)

Ausgrabung (3)   Im Jahre 1925 traf Malraux in einer Bar in Singapur einen russischen Sammler, der auf Kosten des Bostoner Museums reiste, um Kunstgegenstände anzukaufen. Nach dem ersten russischen Redeschwall zeigte er ihm fünf kleine Elfenbeinelefanten, die er eben einem Inder abgekauft und wie die Orgelpfeifen vor sich auf den Tisch gestellt hatte. «Sie sehen, lieber Freund, ich kaufe kleine Elefanten. Wenn wir Ausgrabungen machen, stecke ich sie in die Gräber vor dem Wiederzuschütten. Fünfzig Jahre später werden andere Leute, wenn sie die Särge wieder öffnen, sie hübsch patiniert und verwittert drinnen finden und sich furchtbar darüber den Kopf zerbrechen... Ich mache gern denen, die nach mir kommen, ein wenig Kopfzerbrechen; auf einem der Türme von Angkor-Wat, lieber Freund, hafce ich eine äußerst unanständige Inschrift in Sanskrit eingraviert; hübsch verschmiert, sieht sie sehr alt aus. Irgendein Pfiffikus wird sie entziffern. Man muß die biederen Menschen ein bißchen ärgern...»  - C. W. Ceram, Götter Gräber und Gelehrte. Reinbek bei Hamburg 2000 (zuerst 1949)

Ausgrabung (4)  Zangen, Messer senken sich fieberhaft auf den vertrockneten Leib, der wie Holz tönt, entblößen die Brust und den Bauch, die flach, entstellt, unsexuell sind und die in ihrer Schwärze streifige Flecken von gekochtem Rot aufweisen. Die an dem Leib klebenden Arme werden bloßgelegt, die Hände, die in einer erstarrten Bewegung der Scham, der gleichen Bewegung wie die der Venus der Medici sich mit den Fingern und goldnen Fingernägeln auf die Pubis senken.

Aus diesem Anlaß sucht Dumas fils, der hergekommen ist, um den Geist des 19. Jahrhunderts zu vertreten, nach einem Pariser Bon-mot, findet keines und trollt sich. Eine letzte Binde wird von dem Gesicht gerissen und enthüllt plötzlich ein Emailauge, in dem die braune Iris ins Weiße ausgelaufen ist, ein lebendiges Auge, das Angst einflößt. Die Nase erscheint, eine Stupsnase, die zerbrochen und von der Balsamierung verstopft ist, und das Lächeln eines Goldblattes zeigt sich auf den Lippen des Köpfchens, auf dessen Schädel sich kurze Härchen zerfasern; man könnte meinen, sie seien noch von der Agonie feucht und verschwitzt.

Da lag sie ausgestreckt auf dem Tisch, vom vollen Tageslicht getroffen und gezüchtigt, all ihre Scham im Hellen vor den Blicken. Es wurde gelacht, man rauchte, man plauderte. Armer profanierter Leichnam, so fromm bestattet und verhüllt; so sicher glaubte er sich der ewigen Ruhe, des ewigen Geheimnisses, der unsterblichen Unverletzlichkeit, doch der Zufall einer Ausgrabung warf ihn hierher, wie eine krepierte Zeitgenossin auf den Seziertisch eines Auditorium maximum.  - (gon)

Ausgrabung (5)  

 

Graben Archäologe

 

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