Ausgebrannt (2) Umsonst war es, daß Mondchen, die sich an diesem Tage einfand, das Krankenzimmer mit zärtlichem Gezwitscher erfüllte und ihm eigenhändig von der mitgebrachten leckeren Taubenkleinsuppc einzuflößen versuchte. Nach wenigen Schlucken mußte er ihr mit schmerzlichem Lächeln wehren. Sein Magen versagte den Dienst.
Auf Empfehlung des Kollegen Hou, der an diesem Tage gleichfalls seine Krankenvisite machte, wurde ein ihm bekannter auswärtiger Arzt, ein Spezialist für Darmvergiftungen, der zufällig bei ihm zu Besuch war, zu Rate gezogen. Zweimal im Laufe des Tages schluckte Hsi Men gläubig das von ihm verordnete bittere Gebräu hinunter, mit dem Ergebnis, daß sich sein Zustand nur noch verschlimmerte und er die ganze Nacht hindurch vor Schmerzen kein Auge zutun konnte. Aus rot entzündeten Schwellungen waren offene, ekel schwärende und blutende Wunden geworden.
Nachdem alle ärztliche Kunst somit kläglich versagt hatte, beschloß
Mondfrau, es mit dem letzten Mittel, mit magischen Beschwörungen zu versuchen.
Da mußte also wieder einmal der blinde Ehemann der alten Liu, Sterngucker Liu,
antreten und hinten am Aussichtspavillon seine Teufelsaustreibungstänze aufführen.
Und dann wurde der Meister des Tao, Oberpriester
Wu vom Nephritkaisertempel, herbeizitiert. Als er Hsi Mens erschreckend entstelltes
und verfallenes Aussehen gewahrte, da sagte er es mit schonungsloser Offenheit
geradeheraus: »Hier gibt es keine Heilung mehr. Wein und Weib haben Eure Manneskraft
ausgesogen, verwüstet und erschöpft. Eure Eingeweide sind vom sündigen Feuer
der Wollust ausgebrannt. Die Krankheit sitzt zu tief im Leibe, als daß menschliche
Kunst noch etwas ausrichten könnte.« Und er lehnte es ab, den magischen Zauber
seiner Beschwörungskunst zu leihen. - Kin Ping Meh oder
Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Men und seinen sechs Frauen. Frankfurt
am Main 1970 (zuerst ca. 1610, Wang Schi Tschong zugeschr.)
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