stronom «Jeder kann nicht gescheit sein, Herr
Oberlajtnant», sagte Schwejk überzeugend, «die Dummen
müssen eine Ausnahme machen, weil, wenn jeder gescheit
war, so wär auf der Welt so viel Verstand, daß jeder zweite Mensch davon ganz
blöd war. Wenn zum Beispiel, melde gehorsamst, Herr Oberlajtnant, jeder die
Naturgesetze kennen möcht und sich die himmlischen
Entfernungen ausrechnen könnt, so möcht er nur seine Umgebung belästigen, so
wie ein gewisser Tschapek, was ins Wirtshaus zum ‹Kelch› gegangen is, und in
der Nacht immer ausn Ausschank auf die Gasse herausgegangen is und am bestirnten
Himmel herumgeschaut hat, und wie er zurückgekommen is, von einem zum andern
gegangen is und gesagt hat: ‹Heute scheint der Jupiter herrlich, du weißt gar
nicht, Kerl, was du überm Kopf hast. Das sind Entfernungen; wenn man dich aus
einer Kanone schießen möcht, du Lump, möchtest du mit der Geschwindigkeit einer
Kanonenkugel Millionen und Millionen Jahre hin brauchen›. Er war dabei so ordinär,
daß er dann gewöhnlich selbst ausn Wirtshaus herausgeflogen is mit der gewöhnlichen
Geschwindigkeit einer Elektrischen, ungefähr zehn Kilometer in der Stunde, Herr
Oberlajtnant. — Oder hamr zum Beispiel, Herr Oberlajtnant, die Ameisen...» -
Jaroslav Hašek, Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Reinbek bei 1969
(zuerst 1920 - 1923)
Astronom (2)
Astronom (3)
Astronom (4) Hubbles Persönlichkeit schimmerte durch jede Zeile seiner Schriften hindurch. Er war ernst, unnahbar, unpersönlich und würdevoll. Seine Stimme war die Stimme der Kosmologie. Er präsentierte die Neuigkeiten über das Universum, als seien sie ihm auf Steintafeln überreicht worden. Ein typischer Satz lautete: »Nebel kommen einzeln vor und in Gruppen von verschiedener Größe bis hin zu den seltenen kompakten Haufen mit jeweils mehreren hundert Mitgliedern.« Kein Wort darüber, wer die Nebel entdeckt hatte. Niemand tat die Arbeit, sie wurde einfach getan.
Hubble war verletzt, als er nach dem Krieg bei der Besetzung der Stelle des
Direktors der Observatorien übergangen wurde, ein Spektroskopist namens Ira
Bowen erhielt den Posten. Man hatte einerseits angenommen, Hubble interessiere
sich nicht für Verwaltungsaufgaben, andererseits waren seine Beziehungen zu
bestimmten anderen Astronomen durch dieselbe Unnahbarkeit - einige nannten es
Arroganz - gekennzeichnet, die auch aus seinen Arbeiten sprach. Das galt besonders
für sein Verhältnis zu Harlow Shapley. Shapley war der Star vom Mount Wilson
gewesen, bis Hubble gekommen war, er hatte die meisten Methoden entwickelt,
die Hubble dann bei seinen Arbeiten angewandt hatte. Shapley fühlte sich an
den Rand gedrängt. Einmal hatte Hubble die Bemerkung »ohne Bedeutung« über die
Rohfassung einer seiner Arbeiten gekritzelt, und der Kommentar war in einem
Magazin abgedruckt worden. Shapley beging den Fehler, Mount Wilson zu unpassender
Zeit zu verlassen und Direktor in Harvard zu werden, kurz bevor Hubble seine
großen Entdeckungen machte. Sein ganzes weiteres Leben über schoß Shapley seine
Giftpfeile gegen die Astronomen an der Westküste ab. - Dennis Overbye, Das Echo des Urknalls. München
1993
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