stralleib Übermannt von brennender Sinnengier, trat ich vor den florentinischen grünen Spiegel Lipotins, den ich bis dahin mit einem Tuch und abgewendeten Gesichtes verdeckt gehabt aus dumpfer Angst, Assja könnte mir daraus leibhaftig entgegentreten, wie einst Theodor Gärtner, — enthüllte ihn und blickte, nicht länger mehr Herr meiner selbst, hinein:
Sie stand darin wie lebend, breitete die nackte Brust
nach mir, und ihre Augen flehten um Gnade mit dem süßen Blick der
himmlischen Jungfrau. Ich fühlte mit Grauen und Entsetzen: dies muß mein
Ende sein! — Mit letzter Kraft raffte ich mich auf und schlug in wildem
Grimm und in Verwirrung zugleich mit geballter Faust in das Glas, daß
es in tausend Splitter zerklirrte. Doch mit den Scherben drang mir ihr
Bild vielhundertfach durch Wunden ins Blut und sengte und brannte darin
wie Nesselfeuer. Und in den spiegelnden Flächen der zerborstenen Scheibe
auf dem Boden verstreut rings um mich her: Assja, Assja, die Nackte,
die Saugende, Verzehrende, Gierige, zahllos vervielfacht. Und sie löste
sich von den Bildern wie eine Badende, die aus dem Wasser steigt, trat
lächelnd von allen Seiten wie ein Sirenenheer der Verführung auf mich zu
mit dem wohligen Atem ihrer hundert Leiber. .
.
Die Luft um mich wurde zum Geruch ihrer Haut, und das war das traumhaft
Süßeste, Versengendste und Frühlingslieblichste, was ich mich entsinnen
kann, je in meinem Leben eingesogen zu haben. — Ein Kind weiß, wie
Gerüche betäuben und selig einschlafen machen . . . Und dann, dann fing
Assja-Isaïs an, mich einzuhüllen in Ihre Aura, in ihren Astralleib.
Unverwandt schaute sie mich an mit dem funkelnden Unschuldsblick des
Reptils, das es für die Pflicht seiner Art hält, zu töten ... Sie drang
mir mit der Essenz ihres Wesens unter die Haut und umwuchs mich,
durchwuchs mich. — Wo war da noch Rettung, Abwehr, Widerstand!
Abermals sank ich in den Zauberbann der Melodie, die von innen und außen her in mein Ohr drang:
Aus dem abnehmenden Mond,
Aus der silbertauenden Nacht
Schau mich an--------
Ich fühlte: es ist mein Sterbelied ... - Gustav Meyrink, Der Engel
vom westlichen Fenster München 1984 (zuerst 1927)
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