rchitekt  MANGANELLI   Ihre Bauwerke vermitteln einen ungewöhnlichen Eindruck von, verzeihen Sie mir, ausschweifendem, anstößigem Leben . . .

GAUDÍ Sie meinen, daß, sagen wir, meine Balkone sündig waren? Das freut mich sehr, wissen Sie? Daß jene Fialen . . . sagen wir... dirnenhaft waren? Wissen Sie, daß ich eine Hurenkirche gebaut habe?

MANGANELLI  Ich kenne sie, glaube ich.

GAUDÍ Wenn Sie wüßten, wie fromm sie ist; einen geheiligten Ort galt es mit Sünde anzufüllen, um absolut sicher zu sein, daß er unwiderruflich heilig würde... Es bedurfte des Schmutzes, der Zweideutigkeit, des Zwinkerns eines scheelen und lasterhaften Auges, eines versteinerten Geruchs nach Wein, man mußte Schlupflöcher in der Kirche schaffen, eine Stundenkirche daraus machen, einen anrüchigen Ort, denn eine Kirche, Sie werden es bemerkt haben, nicht wahr, eine Kirche ist ein ungemein anrüchiger Ort, all die Sünder, diese tätigen Sünder, versteht sich, und diese ganze Todeslust, das Blut - und welches Blut -, das von den Wänden trieft. .. Nicht einmal ein Säuferbordell ist so gänzlich ruchlos und mithin heilig. Nun werden Sie sagen, daß ich keusch war, fromm, nicht wahr?

MANGANELLI Nein, derart Vulgäres habe ich nie behauptet.

GAUDÍ Das freut mich. Ich habe Unzucht mit Steinen getrieben, das ist offenkundig; weniger offenkundig ist vielleicht, daß die Steine meine Dirnen, meine Garçonnièren waren... Welcher Unterschied besteht zwischen einem Strumpfband und einem Architrav? Schließlich sind beide von Fleisch.  - Giorgio Manganelli, Von der Unzucht mit Steinen. Antoni Gaudí y Cornet. In: Unmögliche Interviews. Berlin 1996

Architekt (2)

Architekt (3)  Es war einmal ein Architekt oder ein Pferd: es war wohl eher ein Pferd als ein Architekt. Das lebte in Philadelphia, und sie hatten es gefragt: »Kennst du den Dom zu Köln? Baue uns eine Kirche wie den Dom zu Köln!« und weil es den Dom zu Köln nicht kannte, da wurde es ins Gefängnis geworfen. Im Gefängnis aber erschien ihm ein Engel und sprach: »Wolfrang! Wolfrang! was betrübest du dich?« - »Ich muß im Gefängnis bleiben, weil ich den Dom zu Köln nicht kenne.« - »Es fehlt dir nur der Rheinwein, um den Dom zu Köln zu bauen; aber zeige ihnen den Plan, dann werden sie dich freilassen.« Und der Engel gab ihm den Plan, und er zeigte den Plan, da durfte er aus dem Gefängnis heraus; aber niemals gelang es ihm, den Dom zu Köln zu bauen, weil er keinen Rheinwein fand. Da kam er auf den Gedanken, sich Rheinwein nadi Philadelphia kommen zu lassen, aber man schickte ihm einen abscheulichen französischen Moselkrätzer, so daß er niemals den Kölner Dom zu Philadelphia erbauen konnte: es wurde nur eine abscheuliche protestantische Kirche daraus.   - Max Jacob, Der Würfelbecher. Frankfurt am Main 1968 (zuerst 1917/23)

 

Beruf Haus

 

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