pfel,
verfaulter
»O ja - ich liebe meinen Nächsten. Wie ein verfaulter Apfel
an eines verfaulten Apfels Brust gewachsen, so gehen wir zusammen unter, Verfall
ohne Hemmnis; denn wenn ich eines spüre, dann stemme ich die Brust um so fester
dagegen, auf daß er so schnell faule wie ich, denn danach drängt es ihn aufs
Gräßlichste, oder ich mißverstehe den Schrei. Ich, mit dem es eher vorbei ist,
als mit jeder Frucht! Die Hitze seiner Eiterung hat seinen Kern mit dem meinen
gemischt und mein Mark bis zum Zenit spritzen lassen, vorzeitig. Die Last meiner
selbst habe ich schon lange von mir geworfen, auf daß ich, Brust an Brust, mit
njeinen gescheiterten Freunden dahinwanke. Und lieben'sie mich deswegen? Nein.
So habe ich mich selbst getrennt, nicht nur weil ich so häßlich geboren wurde,
wie Gott es sich nur auszumalen wagt, sondern weil ich, in wachsender Vertrautheit
und Verwandtschaft mit dem Unheil, meinen eigenen Wert zerstört habe. Und der
Tod? Hast du an den Tod gedacht? Welches Wagnis gehst du ein? Weißt du, wer
zuerst stirbt, du oder sie? Und welcher der ärmere Teil ist, Kopf oder Fuß?
Ich sage mit diesem guten Sir Anticolo: die Füße. Jedermann kann auf eines Toten
Kopf blicken, doch niemand kann auf die Füße blicken. Sie sind der Erde so schrecklich
entwendet. Auch darüber habe ich nachgedacht.« Und plötzlich rief er: »Ja glaubst
du denn, um des holden Christi willen, ich sei so glücklich, daß du mir den
Hals hinabheulen kannst? Denkst du, es gibt keinen Jammer auf dieser Welt, außer
dem deinen? Ist nicht irgendwo ein Heiliger mit Geduld? Gibt es denn nirgends
Brot, das sich nicht mit bitterer Butter anbietet? Ich, ein so guter Katholik
wie er nur hergestellt wird, habe mich auf jede Mischung von Hoffnung eingelassen,
und doch weiß ich sehr wohl, trotz Schrei und Not: wir werden für die nächste
Generation nicht saftvoller Dung sein, der aus dem Dinosaurier fällt, sondern
kleiner Dreck, den ein Kolibri hinterläßt.« - Djuna
Barnes, Nachtgewächs. Frankfurt am Main 1983 (zuerst 1936)
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