- Peter Handke, Don Juan (erzählt von ihm selbst)
Frankfurt am Main 2006 (st 3739, zuerst 2004)
Anziehungskraft (2) Alle sprachen sie
von Delia Manara mit einem Rest Scham, sich gar nicht sicher, ob es wirklich
stimmte, aber Mario konnte nicht verhindern, daß ihm die Wut ins Gesicht schoß.
Mit einem ohnmächtigen Ausbruch von Unabhängigkeit haßte er auf einmal seine
Familie. Er hatte sie nie geliebt, nur das Blut und die Angst, allein zu sein,
banden ihn an seine Mutter und seine Geschwister. Zu den Nachbarn war er brüsk
und ruppig, don Emilio beschimpfte er von Kopf bis Fuß, als das Gerede von neuem
anfing. Die von oben grüßte er nicht mehr, als könnte ihr das was ausmachen.
Und wenn er von der Arbeit zurückkam, ging er ostentativ zu den Manaras hinein
- manchmal mit Bonbons oder einem Buch -, um dem Mädchen Guten Tag zu sagen,
das ihre zwei Verlobten umgebracht hatte. - (
best
)
Anziehungskraft (3) Sobald sie zum
Schafstall zurückkehrten und zur Mühle kamen, sah man, daß die Anziehungskraft
ihm Quecksilber in die Glieder schießen ließ, denn der Irre begann solche
Sprünge in die Höhe und in die Weite zu machen, daß er oft auf den Boden
fiel und sich den Kopf anschlug. Im übrigen kämmte auch er sich sein Haar,
bevor sie ins Haus derTognatos gingen, um eine gute Figur abzugeben, wie
sein Bruder, wenn er nach Hause kam und seiner Mutter schöntat. In dem
großen, dunklen Raum aber starrte dann der Irre wie gelähmt die Frau mit
dem Kropf an, ohne den Mund aufzumachen, bis sie ihm das Marmeladebrot
gab und ihn fortschickte, und dabei immer verhext anderswohin sah. Und
so kam es, daß der Irre auf dem Gang zu seiner Hütte einen Ständer
zwischen den Beinen bekam, weil er in der Nähe der Verhexten mit dem Kropf
gewesen war, und auf dem Weg sagte er stotternd und blöd grinsend zu seinem
Freund: »Der steht hoch, Giuseppe, der steht!« -
Gianni Celati, Bukolisches Gedicht. In: G. C., Cinema naturale. Berlin 2001
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