Antikritik  Dieser Strykius, ein gerader Abkömmling vom berühmten Juristen Strykius — dem er absichtlich die lateinische Namens-Schleppe nachtrug, um dem deutschen Strick zu entgehen —, war bekanntlich eben der Rezensent der Katzenbergerschen Werke gewesen, den ihr Verfasser auszustäupen sich vorgesetzt. Auf Musensitzen - wie in Pira —, die zugleich rezensierende Musenvätersitze sind, ists sehr leicht, da alle diese Kollegien untereinander kommunizieren, den Namen des apokalyptischen Tiers oder Untiers zu erfahren; bloß in Marktflecken und Kleinstädten wissen die Schulkollegen von nichts, sondern erstaunen. Mehr als durch alle Strykischen Rezensionen in der allg. deutschen Bibliothek, in der oberdeutschen Literaturzeitung u. s. w. war der milde Katzenberger erbittert geworden durch lange grobe hämische und späte Antworten auf seine gelehrten Antikritiken. Denn dem Doktor wars schon im Leben bloß um die Wissenschaft zu tun, geschweige in der Wissenschaft selber. Da er indes eine unglaubliche Kraft zu passen besaß: so sagte er ein akademisches Semester hindurch bloß freundlich: »Ich koch's,« und tröstete sich mit der Hoffnung, den Brunnenarzt persönlich in der Badezeit kennen zu lernen.

Diese sehnsüchtige Hoffnung sollte ihm heute erfüllt werden, so daß ihm statt des potzneusiedlischen Galgenstricks wenigstens der Maulbronner Strick oder Strykius zuteil wurde. Er traf unten an dem Brunnenhause - dem Industriekomptoir und Marktplatze eines Brunnenarztes — den verlangten. Der Brunnenarzt lief, da er mit der gewöhnlichen Neugier dieses kürzesten Amtes schon Katzenbergers Namen erjagt hatte, ihm entgegen und konnte, wie er sagte, die Freude nicht ausdrücken, den Verfasser einer haematologia und einer epistola de monstris und de rabie canina persönlich zu hören und zu benützen und ihm, wo möglich, irgendeinen Dienst zu leisten. »Der größte«, versetzte der Doktor, »sei dessen Gegenwart, er habe längst seine Bekanntschaft gewünscht.« — Strykius fragte: »wahrscheinlich hab' er seine schöne Tochter als ihr bester Brunnenmedikus hierher begleitet, wenn sie das Bad gebrauche.«

«Nicht eines zu gebrauchen,« antwortete er, »sondern einem Badegaste eines zuzubereiten und zu gesegnen, sei er angelangt.« — »Also auch im Umgange der scherzhafte Mann, als den ich Sie längst aus Ihren epistolis kenne? Doch Scherz beiseite«, sagte Strykius und wollte fortfahren. »Nein, dies hieße Prügel beiseite«, sagte der Doktor. »Ich bin wirklich gesonnen, einen kritischen Anonymus von wenig Gewicht, den ich hier finden soll, aus Gründen, solange wir beide, nämlich er und ich, es aushalten, was man sagt, zu prügeln, zu dreschen, zu walken. Indes will ich als ein Mann, der sich beherrscht, nur stufenweise verfahren und früher seine Ehre angreifen als seinen Körper.«

»Nun diesen Scherz-Ernst abgetan,« — sagte der Brunnenarzt, sich totlachen wollend — »so versprech' ich Ihnen hier wenigstens fünf Freunde des Verfassers der Hämatologie, Männer vom Handwerk.«

»Es soll mich freuen,« sagte der Doktor, »wenn einer darunter mich rezensiert hat, weils eben das Subjekt ist, dem ich, wie ich Ihnen schon anvertraut, so viel Hirn ausschlagen will, als ein Mensch ohne Lebensgefahr entbehren kann, welches, wie Sie wissen, bis auf zwei Unzen steigt, es müßte denn sein, daß ich aus Liebe mich auf bloßes Einschlagen der Hirnschale einzöge. - Wenn schon jener Festung-Kommandant jeder davonlaufenden Schildwache fünfundzwanzig Streiche aufzählen ließ, die einen Geist gesehen: wieviel mehr kann ich einer kritischen geben, die keinen Geist in meinen Werken gesehen!«  - (katz)

Antikritik (2)

Antikritik (3)  Bei seiner Mutter, über die er sich ärgerte, weil sie seine Reden und Taten scharf beobachtete und bitter tadelte, begnügte Nero sich anfangs, sie beim Volk dadurch in Mißgunst zu bringen, daß er das Gerücht aussprengen ließ, er habe die Absicht abzudanken und von Rom fort nach Rhodos zu gehen. Später beraubte er sie aller äußeren Ehren und alles Einflusses, nahm ihr die römische und germanische Ehrenwache und entzog ihr sogar die Wohnung im Palatium. Auch machte er sich kein Gewissen daraus, sie auf jede Weise zu quälen. War sie in Rom, so hetzte er ihr Prozesse auf den Hals; zog sie sich aufs Land zurück, um ruhig zu leben, so ließ er sie durch Leute, die auf dem Land- und Wasserwege an ihrem Landsitz vorüberfuhren, durch Schimpfreden und schlechte Witze beleidigen.

Allein ihre Drohungen und ihr heftiges Temperament erschreckten ihn dermaßen, daß er sie zu verderben beschloß. Nachdem er es dreimal mit Gift versucht und bemerkt hatte, daß Agrippina sich durch Gegengifte zu schützen wußte, ließ er die Decke ihres Schlafzimmers so einrichten, daß sie bei Nacht mittels einer Maschinerie auf die Schlafende herabstürzen mußte. Die Mitwisser hatten aber das Geheimnis des Planes nicht streng genug gewahrt, und daher geriet Nero auf den Gedanken, ein leicht auseinanderfallendes Schiff erbauen zu lassen. Auf ihm sollte seine Mutter durch Schiffbruch oder Einsturz der Kajüte ums Leben kommen.

Unter dem Vorwand, eine Aussöhnung mit ihr herbeiführen zu wollen, lud er sie in einem sehr liebenswürdigen Brief ein, nach Bajä zu kommen, um dort die Quinqua-tren1 mit ihm zusammen zu feiern. Ihren Kapitänen aber erteilte er den Befehl, die liburnische Jacht, auf der sie angekommen war, wie durch Zufall durch eine Havarie seeuntüchtig zu machen. Er verlängerte daher das Festmah!2 bis in die Nacht hinein. Als Agrippina dann nach Bauli3 zurückzukehren begehrte, bot er ihr statt des schadhaft gewordenen Fahrzeuges jenes künstlich hergerichtete an, gab ihr mit heiterster Miene das Geleit dahin und küßte ihr beim Abschied sogar den Busen. Den Rest der Nacht aber verbrachte er in großer Angst ohne Schlaf, um den Ausgang seines Anschlages abzuwarten. Doch er erfuhr, daß alles anders gekommen sei und daß sich Agrippina durch Schwimmen gerettet habe. Da er sich nicht anders mehr zu helfen wußte, gab er den Befehl, ihren Freigelassenen Lucius Agermus, der ihm voll Freude die Botschaft brachte, seine Mutter sei gesund und unverletzt, als einen gegen ihn ausgesandten Meuchelmörder festzunehmen und zu binden. Er hatte nämlich, ohne daß Agermus es merkte, dicht neben ihm einen Dolch hinfallen lassen. Seine Mutter aber befahl er zu töten und dabei so vorzugehen, daß es nach außen den Anschein erweckte, als habe sie sich durch freiwilligen Tod der Bestrafung für ihr entdecktes Verbrechen entzogen. Namhafte Schriftsteller fügen noch grauenvollere Einzelheiten hinzu: Nero sei herbeigeeilt, die Leiche der Ermordeten zu beschauen, habe ihre Glieder betastet, einige getadelt, andere gelobt und, als er Durst bekam, in aller Gemütsruhe getrunken.    - (sue)

 

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