ntifeminismus
»Tatsächlich sind Augusta und diese andere Fanatikerin Gea vollkommen unglücklich,
sie sind geradezu Professionals der Krise und des Lamentos, Stars des
Zusammenbruchs und des Mißerfolgs, aber weißt du, für mich ist das Phantastischste
dabei, daß es sich solche Geschöpfe in den Kopf setzen, die Gesellschaft zu
lenken, die Welt zu verbessern, es ist so, als ob die städtischen Totengräber
den Rummelplatz von Piazza Vittorio in Pacht nehmen wollten, nein, du findest
das nicht, du lachst, aber würdest du etwa ein Beerdigungsinstitut damit beauftragen,
Theas Hochzeit zu organisieren, übrigens nichts Neues diesbezüglich, nun, um
so besser, je später sie damit anfängt, desto besser für sie, auch wenn ihr
beide, ich meine, du und dein Mann, nicht schlecht gefahren seid, ihr habt beide
eine gute Wahl getroffen, vielleicht auch deshalb, weil er immer unterwegs ist,
vielleicht ist das das Geheimnis, daß man sich nicht zu sehr auf der Pelle sitzt,
daß man einfach nicht die Zeit hat, sich gegenseitig auf die Nerven zu gehen,
so oft mir auch Giulia erklärt, jedesmal, wenn er nach Hause komme, du weißt
üoch, daß Ascanio Monate und Monate in Kanada oder Brasilien ist, um seinen
Vermouth zu verkaufen, also daß es jedesmal, wenn er heimkommt, furchtbar sei,
wie wenn man die Ehe noch einmal von vorn beginne, sie muß jedesmal eine entsetzliche
Anstrengung machen, um sich an die Sache wieder zu gewöhnen, aber natürlich
ist sie nicht so ausgeglichen wie du, sie hat nicht deinen gesunden Menschenverstand,
nein, entschuldige, im Ernst, laß mich das erledigen, schließlich habe ich dich
in diese Eiskammer geschleppt, es ist ja ein wahres Wunder, daß wir uns getroffen
haben, in Turin begegnet man sich doch nie, in der Hinsicht hat sich nichts
geändert, trotz eingeworfener Fensterscheiben und trotz dieser Fanatikerinnen,
weil, du verstehst, es sind nicht so sehr die zerbrochenen Scheiben, da würde
ich eventuell auch noch mitmachen, nur um meinem Ärger Luft zu machen, sondern
es ist der Fanatismus, der mich schaudern läßt,
im Grunde hat er immer etwas, ich weiß nicht recht, Öliges, Klebriges, man meint
immer, in eine FKK-Kolonie oder in einen Vegetarierklub geraten zu sein, sie
haben immer diese beseelte Stimme, den mystischen Blick, ich will sagen, es
ist nicht das Böse an diesen Menschen, das mir einen Schauder über den
Rücken jagt, es ist das Gute, findest du nicht auch?« - Fruttero & Lucentini, Wie
weit ist die Nacht. München 1989
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