Dnstaltsbesuch   Als ich im Februar des vorigen Jahres von Ezra Abschied genommen hatte und im kalten Regen durch den Schlamm des Anstaltsgeländes auf den Ausgang zuging, mußte ich an einem der alten Gebäude vorbei. Inzwischen hatte ich das Gefühl, den Ort ein wenig zu kennen; mein ursprünglicher Schrecken, obschon ich Arzt war, angesichts der ganzen Tragweite dieses Ortes, hatte sich gelegt. Beim erstenmal war ich mit Schaudern durch die schmale Tür in den Turm getreten, in dem eine steinerne Wendeltreppe immer im Kreis hinauf zu seiner Etage führt. Ich hatte zwei Treppen statt einer genommen und war im falschen Stockwerk gelandet. Nach Betätigung der Klingel wurde ich von einem mißtrauischen Pfleger eingelassen. Plötzlich war ich von Insassen umgeben, sie säumten die Wände zu beiden Seiten, manche standen, manche saßen, manche lagen auf den Steinfliesen. Ich folgte dem Pfleger, der mich, nachdem er sich durch einen Anruf im Hauptbüro meiner Identität versichert hatte, wieder hinausließ und mir sagte, ich solle eine Etage tiefer gehen und dort so lange klingeln, bis mir jemand aufmache.  - (wcwa)

Anstaltsbesuch  (2)   Als mich die Nachricht erreichte von der Einlieferung meines Oheims in eine Nervenheilanstalt, machte ich mich, sobald es meine Umstände, die ich bedrängte, mich loszulassen, erlaubten, auf den Weg, ihn zu besuchen. An einem Montag eile ich nicht ganz ohne Angst durch den friedlich daliegenden Anstaltspark. Man weist mir die Siechenstation. Da ich im Tagesraum meinen Oheim nicht antraf und keinen Pfleger, suchte ich den Schlafsaal; ich hatte mich mit diesem Satz präpariert: körperlich hinfällig, infolge fortgeschrittener Hirnabbauprozesse geistig maximal reduziert, in der Altersstation gänzlich vereinsamt und aus allen Lebenskreisen ausgeklammert, wie könnte ihm da geholfen werden? Von der Tür aus sehe ich einen Pfleger sich um einen alten Mann mit dem Gesicht eines Fünfzehnjährigen bemühen, der Mann ist mit Riemen ans Bettgestell geschnürt; losgebunden und steif kann er sich nicht gleich erheben, er soll wohl umgebettet werden. Da beginnt der Pfleger auf ihn loszudreschen, immer und immer in das Gesicht meines Oheims zu schlagen, den ich an seinen Ohren zu erkennen glaube, bis es feuerrot angelaufen ist und Schlagspuren anschwellen. Mein Oheim spuckt nach allen Seiten, kratzt den Pfleger wie eine Katze und lallt: Eiapopeia eiapopeia nicht schlagen nicht schlagen! Endlich hört der Pfleger auf, drückt meinen Oheim aufs Bett und schiebt seine Arme in die Lederfessel. Ich scheniere mich vor dem Pfleger, Zeuge gewesen zu sein und bekomm, höflich gestottert, heraus, daß es sich nicht um meinen Oheim handele, der war schon vor einigen Monaten in die ewigen Jagdgründe abgegangen. Erst im Bus wieder, traute ich mir den Kotgeruch auf der Station wahrnehmen, rekapitulierte mir den schmierigen Tagesraum und den engmaschigen hohen oben nach innen gebogenen Drahtzaun, der diesen Block umgab; erst jetzt sah ich einige Alte, die herbei geschlurft sein mußten, sich grinsend und kichernd an der Schlagszene zu ergötzen, und wehmütig dachte ich an die gute Zeit meines Oheims, da er sich mit Gedanken ans Nichts erfreute. - (acht)


Anstalt Besuch



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