Fnspannung   Meine erste nähere Erfahrung mit einem professionellen Lebemann - das ist ein Mann, der von seinem Verstand und seiner Geschicklichkeit lebt, frei von der Arbeit, mit der andere Menschen sich ihren Lebensunterhalt verdienen - machte ich mit einem Spieler, der in der Stadt als Highpockets bekannt war. Er war Mitte Dreißig, spitznasig, hübsch auf eine unauffällige und unpersönliche Art. Sein dünnes schwarzes Haar glänzte immer ölig, sein Gesicht war weiß wie ein Fischbauch. Er war auffallend angezogen, grell und geckenhaft. Seine Hände führten ein Eigenleben, waren ständig in Bewegung, machten kleine Gesten, als ob er sie nicht in Kontrolle halten könnte. Er spielte um hohe Einsätze, konnte das Kartenpaket von oben und unten austeilen, manipulieren, die Karten zinken, indem er die Ecken mit dem Fingernagel umbog oder abkratzte. Er konnte Asse hervorzaubern, wo sonst nie ein As auftauchte. Die meiste Zeit jedoch spielte er sauber, denn Männer, die dem Kartenspiel verfallen sind, kennen keine Gnade, wenn jemand mit den Karten manipuliert oder sonst einen faulen Trick versucht. Highpockets war Experte für Poker, Pharao, Red Dog, Whist und jedes andere Spiel, das mit Karten zu tun hatte. Seine Augen und sein Gesicht waren so ausdruckslos wie der Blick eines Leichenbestatters.

Highpockets gehörte zu jenen Männern, die eine Frau im Bett wie eine Medizin zu sich nehmen. Für ihn verband sich mit dem sexuellen Akt nicht der geringste Gedanke an Vergnügen, Romantik oder Liebe. So etwas wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Nervös, fertig und ausgelaugt vom Spiel, angeheizt von drei Tagen ständigen Verlusts, angespannt wie ein Drahtseil nach einer Woche wechselnden Spielglücks, kam er zu den Flegels, abgespannt und mit müden Augen, stinkend nach Bourbon, Schweiß und Zigarrenrauch. Er kam ins Bordell, nahm ein Mädchen mit nach oben und beruhigte seine Nerven mit einem ausgiebigen Galopp in den Matratzen, bis ihn der Schlaf überwältigte. Er atmete dann ruhig und träumte nicht einmal dabei, wie er behauptete. Der letzte Krampf seines Körpers beim Höhepunkt war die Lösung jener Anspannung, die ihn so reizbar und nervös machte, unfähig, ein Glas zu halten, das man ihm nicht fest in die Hand gab. - Nell Kimball, Madame - Meine Mädchen, meine Häuser. Hg. Stephen Longstreet. Frankfurt am Main, Wien und Berlin 1982 (entst. ca. 1917-1932)

Spannung

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