nprall
Ob im Augenblick der Begegnung die Krallen gespreizt und die Zähne entblößt,
ob roh gekantete Beile geschwungen, hölzerne Bogen gespannt werden, oder ob
sehr feine Technik die Vernichtung zu höchster Kunst erhebt, stets kommt der
Punkt, wo aus dem Weißen im Auge des Feindes der Rausch des roten Blutes
flammt.
Immer löst der keuchende Ansprung, der letzte, verzweifelte Gang dieselbe Summe der Gefühle aus, ob nun die Faust die geschnitzte Keule oder die sprengstoffgefüllte Handgranate schwingt. Und immer auf den Gefilden, wo die Menschheit ihre Sache zur blutigen Entscheidung stellt, mag es der schmale Paß zwischen zwei kleinen Bergvölkern, mag es der weitgeschwungene Bogen moderner Schlachten sein, kann alles Grausige, alle Häufung raffiniertester Schrecken nicht so den Menschen mit Grauen durchtränken wie die sekundenlange Erscheinung seines Ebenbildes, das vor ihm auftaucht, alle Feuer der Vorzeit im verzerrten Gesicht. Denn alle Technik ist Maschine, ist Zufall, das Geschoß blind und willenlos, den Menschen aber treibt der Wille zu töten durch die Gewitter aus Sprengstoff, Eisen und Stahl, und wenn zwei Menschen im Taumel des Kampfes aufeinanderprallen, so treffen sich zwei Wesen, von denen nur eins bestehen kann.
Denn diese zwei
Wesen haben sich zueinander in ein Urverhältnis gesetzt, in den Kampf ums Dasein
in seiner nacktesten Form. In diesem Kampfe muß der Schwächere am Boden bleiben,
während der Sieger, die Waffe fester in der Faust, über den Erschlagenen hinwegtritt,
tiefer ins Leben, tiefer in den Kampf. So ist der Aufschrei, den solcher Anprall
mit dem des Feindes vermischt, ein Schrei, der sich Herzen entringt, vor denen
die Grenzen der Ewigkeit schimmern. Es ist ein Schrei, im Flusse der Kultur
längst vergessen, ein Schrei aus Erkennen, Grauen und Blutdurst. - Ernst Jünger, Der Kampf
als inneres Erlebnis (zuerst 1922)
Anprall (2) DER MENSCH, DER SICH WEH GETAN HAT Man stößt an: Schmerz und Wut. Auf den Anprall folgen Schmerz und Raserei, eines ans andere gebunden, das eine Welle, das andere Schaum; das eine die Kraft des anderen. Man stürzt sich auf das schuldlose Ding, um es zu zerstören. Es hat durch seine Trägheit geschadet, man leiht ihm Gedächtnis, Willen, Empfindungsvermögen (ein zutiefst realer Irrtum).
Ein ganzes Drama spielt sich ab, das die Wirklichkeit ersetzt, sie aber verläßt. Es beruhigt sich, indem es sich immer schwächer wiederholt. Allmählich zeigt sich die ganze Dummheit dieses heftigen Anfalls, zeigt sich die schlechte Laune. Manchmal auch das Lachen. Man kann nicht daran zurückdenken, ohne den ganzen Verlauf der Krise in abgekürzter Form von neuem zu erleben. Zuletzt hat man gelitten, hat etwas zerbrochen., Zeit und Kraft verloren, man ist sich in seiner Albernheit begegnet und vernichtet nun gründlich, was sich ereignet hat und was sich bei Gelegenheit wieder ereignen wird.
Eine Grundwelle hat sich erhoben, hat verheerend gewirkt und den stillen Uferbewohner überrascht. Jede große Entfesselung begleitet ein Traum, denn es ist ein Traum, das Ganze und den Zufall in Übereinstimmung bringen zu wollen. Um so eher ein Traum, je größer die Entfesselung ist; er folgt den Schwankungen, findet sich wieder und löst sich auf. Er nährt sich mit allem: Einfalt. Das gereizte Gehirn tut, was es zu tun weiß: es personifiziert, sieht einen Fremden in sich selbst, erkennt sich nicht wieder.
Kreislauf. Die Seele macht einen Rundgang im Nervensystem: Schmerz, Wahrnehmung,
Rückblick auf den Zustand vor dem Anprall, ohnmächtige Wut, begangene Dummheit,
Dummheit in Tätigkeit, Dummheit im Zustand grausamer
Wahrnehmung, Dummheit dieser Wut und dieser Reue, neue Raserei: die aufeinanderfolgenden
Glieder nehmen trotz ihrer Periodizität an Einsicht in die Albernheit zu: a
dümmer als a2 dümmer als a3, etc.... - (
pval
)
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