ngebot    Die Stimme des Mannes mir gegenüber erklang, aber er schien durch dicke Mauern von mir getrennt zu sein. Ich sah nur die goldgrünen Augen der Frau an meiner Seite. Da begann ich etwas Unangenehmes auf der Hand zu empfinden. Mir war, als hätte sich auf meinen Handrist eine kühle, fette Kröte gesetzt. Als ich, vor Ekel zitternd, hinschaute, sah ich die dicke Hand meines Tischnachbarn neben der meinen. Er berührte mich mit zweien seiner Finger. Es war eine Hand mit rötlichen Härchen, mit Sommersprossen, neben denen die fette Hand grünweiß schimmerte.

Diese Berührung zwang mich, in die Augen des Unbekannten zu sehen. Es waren dicke Augen mit hellen Pupillen, die wie aus Blech gestanzt erschienen.

Während er sprach, rollte er den Kopf im Nacken und schliff mit dem weichlichen Kinn über den stark gesteiften, grellweißen Kragen. Bei dieser Bewegung wandten sich seine Augen vom Lichte ab und erschienen nun wie tiefe, dunkle Löcher in einer augenlosen Maske. Diese grauenvolle Erscheinung lahmte mich so, daß ich nicht wagte, meine Hand der eklen Berührung durch seine Finger zu entziehen.

Mit seinem widerlichen Lächeln, das starke, gelbe Zähne unter feuchten, schlappen Lippen enthüllte, sagte er zu mir: »Nun, haben Sie sich heute von der Wirklichkeit der Wachsfigurenreklame überzeugt? Nicht wahr, schöne Sache, das?« Seine schmeichelnde Stimme drang wie flüssiges Fett in meine Ohren. Ich zitterte vor Entrüstung, während ich antwortete: »Ich muß Ihnen gestehen, ich finde diese Reklame abscheulich, schamlos, gemein! Es ist, als ob wirkliche Frauen sich und ihre Reize zur Schau stellten. Immer bleibt der Gedanke an lebende Wesen wach.«

Als ich zu sprechen begann, hatte er mir sein Gesicht zugewendet. Langsam kam er mir mit seinem Kopfe näher, in dem die Augen wieder wie Löcher erschienen, so daß der ganze Kopf einem Meertier glich, das seine Beute erfassen will. Mit klebriger Stimme sagte er: »Nur durch ausgefallene Wirkungen kann man die Leute für die Tagesartikel interessieren. Da alles überall zu haben ist, tut Aufmachung alles.«

Für Augenblicke war mir, als verließe mich das Bewußtsein, und versänke in einen warmen, gelben Teig. Als ich wieder klar sah, hatte sich die Dame erhoben, um dem Kellner einen Auftrag zu erteilen.

Mein Nachbar saß zusammengesunken in seinem Sessel, wie ein schwarzer Kloß. Im Augenblicke sah er ganz gewöhnlich aus. Er war nichts anderes als ein gut gekleideter Geschäftsmann, der sich eine kleine Ausschweifung gönnte. Jovial lachte er vor sich hin: »Wie gefällt sie Ihnen? Schöne Sache, das, nicht?« Doch dann streckte er, um den Worten Nachdruck zu verleihen, mit einer leichten Bewegung seinen linken Unterarm nach unten, und ich sah die starke, rötliche Faust mit dem langen Daumen, dem Daumen eines Menschenwürgers.

Ich hätte es als eine Gemeinheit empfunden zu antworten. Da wuchs sein Kopf wieder aus dem Kragen heraus und wandelte sich wieder zu einem Meertier mit Saugnäpfen. In schmatzendem Tone sagte er: »Sie haben sie schon heute vormittag bewundert. Es ist das Neueste, was wir auf Lager haben. Ich könnte sie Ihnen billig überlassen, denn wir bringen jetzt einen anderen Typ, mehr das bescheiden schmachtende Mädchen mit aschblondem Haar. Die koketten, feurigen Modells sind jetzt nicht mehr gangbar. Aber für die Provinz, glaube ich, ist es jetzt das richtige. Die Provinz kommt immer erst in der nächsten Saison auf den Berliner Geschmack.«  - Friedrich Freksa, Berliner Reiseerlebnis. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1919)

Angebot (2) »Sie können mir wohl nicht sagen, warum Sie mir diese Fragen stellen?«

»Nein, das kann ich nicht.«

»Und ich soll schweigen?«

»Ja, unbedingt.«

»Das wird besser für mich sein, nicht wahr? Na, haben Sie keine Angst. Ich habe schon öfter Kolleginnen von Ihnen sprechen hören, aber ich hatte Sie mir älter vorgestellt.«

Sie lächelte ihn an und wölbte den Körper leicht unter der Decke.

Nach einem kurzen Schweigen murmelte sie: »Nein?«

Und er antwortete, ebenfalls lächelnd: »Nein.«

Da brach sie in Lachen aus. »Genau wie mein Nachbar!«

Und dann plötzlich ernst: »Was hat er getan?«

Er war nahe daran, ihr die Wahrheit zu sagen. Er wußte, er konnte sich auf sie verlassen, er wußte auch, daß sie mehr Dinge zu verstehen vermochte als zum Beispiel Untersuchungsrichter Cajou.  - Georges Simenon, Maigret und der faule Dieb. München 1977 (Heyne Simenon-Kriminalromane 61, zuerst 1961)

Angebot (3)  

- Leone Frollo

Angebot (4)   Er kratzte sich am Kopf, dichte Schuppenwolken schwebten auf den Boden des Badezimmers.

»Slab war mein erster. Keiner von diesen Gecken im ›Schlozhauer‹ hat mehr von mir gesehen als eine nackte Hand. Weißt du nicht, armer Benny, daß ein Mädchen sich für ihre Jungfräulichkeit an irgend etwas schadlos halten muß, an einem Wellensittich, einem Auto — aber die meiste Zeit an sich selbst?«

»Nein.« Sein Haar war strähnig, die Fingernägel hatten sich von der toten Haut gelb gefärbt. »Das ist noch nicht alles. Versuche nicht, dich so aus der Affäre zu ziehen.«

»Du bist kein Schlemihl. Du bist nichts Außergewöhnliches. Jeder ist in gewisser Weise ein Schlemihl. Komm nur einmal heraus aus deinem Schuppenpanzer, und du würdest es sehen.«

Er stand still da, birnenförmig, Säcke unter den Augen, ganz hilflos. »Was willst du? Wie weit muß ich gehen? Ist das« -- er machte eine unbeseelte Gebärde - »nicht genug?«

»Es kann nicht genug sein. Weder für mich noch für Paola.«

»Wo ist sie denn, wenn sie ...«

»Überall, wohin du kommst, wird immer eine Frau für Benny da sein. Nenn es Komfort. Immer ein Loch, das dich hereinläßt, ohne daß du fürchten mußt, ein Stückchen deines kostbaren Schlemihltums zu verlieren.« Sie ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. »Gut. Wir alle brauchen es. Unser Preis ist fest, für alles festgelegt: normal, französisch, rund um die Welt. Kannst du zahlen, Schatz? Nackt — Gehirn und Körper.«

»Wenn du denkst, ich und Paola ...«

»Du und irgendwer. So lange, bis die Sache nicht mehr klappt. Ein ganzer Sack voll, ein paar besser als ich, aber alle genauso blöd. Wir sind alle zu haben, weil wir das da haben« - sie deutete auf ihren Unterleib -, »und wenn das etwas sagt, gehorchen wir.«

Sie lag auf dem Bett. »Komm, Schatz«, sagte sie, und fast hätte sie losgeweint, »du darfst es umsonst. Aus Liebe. Steig drauf. Gute Qualität, umsonst.«

Es war absurd, daß er jetzt an Hiroshima dachte, wie er einen mnemotechnischen Merkvers für Widerstände hergesagt hatte.

Böse Jungen vergewaltigen die Mädchen hinter der Mauer des Siegesdenkmals (doch »Violetta tut's gern«). Gute Qualität, umsonst.

Könnte irgendeiner ihrer Widerstände in Ohm gemessen werden? Eines Tages, Gott möge es geben, würde eine vollelektronische Frau auftauchen. Vielleicht hieße sie Violetta. Alle Schwierigkeiten mit ihr könnte man von einem Armaturenbrett ablesen. Einheitsschema:

Fingergewicht, Herztemperatur oder Mundgröße außerhalb der Toleranzwerte? Ausbauen und ersetzen, nichts sonst.

Er stieg drauf, egal.  - (v)

Angebot (5)   Die Blonde (die als erste meine Aufmerksamkeit auf sich zog, wozu auch ihr Platz im Auto beitrug, während die andere neben ihr wie die bekannte Vertraute des klassischen Theaters wirkte): Nehmen wir Sie mit?

Ich (beide Hände auf die Wagentür gestützt, deren Scheibe heruntergekurbelt ist): Wohin denn?

Die Blonde (und im Chor mit ihr wahrscheinlich die Brünette): Nicht weit...

Eine Pause, und dann mit sanfter Stimme und charmantem Lächeln:

Die Blonde: In Amors Schoß ...

Ich (liebenswürdig, wie es sich geziemt): Ihr seid sehr freundlich, aber ich bin schon ein bißchen alt.

Die Blonde (ungeniert, obgleich immer noch lieblich): Ja dann!

Das Auto fährt sofort los und ich sehe die beiden noch einmal ein paar Meter weiter, wo sie, in der Straßenmitte diesmal, an einer Ampel halten.

Ich setze meinen Weg fort, und in der Rue de Sèze, auf dem rechten Trottoir nach der Rue Chauveau-Lagarde zu - wo ich als gelegentlicher Kunde eines der Geschäfte kenne, den Kramladen an der Ecke des Boulevard Malesherbes - mache ich eine zweite Begegnung. Eine ausnehmend reife Frau, etwas verquollen in ihren dicken Pelz verschnürt (ein echtes oder falsches Leopardenfell, soweit ich das erkennen konnte) und trotz ihres koketten Aufputzes ohne jede Spur von Anmut. Genau in dem Augenblick, als sie an mir vorübergeht, bedenkt sie mich - unvermittelt die Lippen aufwerfend, die plötzlich die Form eines umgestülpten Zirkumflexes annehmen - mit einem roten Lächeln, das wie durch einen, dem ersteren, auslösenden Reflex analogen Vorgang sofort wieder verschwunden ist; nichts in meiner Haltung deutet daraufhin, daß ich das stumme Angebot auch nur einen Moment in Betracht ziehen könnte. Über diese, deren Alter vielleicht nachsichtiger gewesen wäre für das meine, zur Stunde, wo der Körper des Mannes sich mit einem königlichen Szepter schmückt, bleibt kein Bedauern zurück, während mich das andere Bild noch weiter verfolgen wird: die beiden Sirenen, die meinem Blick nur ihren Oberkörper, und nicht einmal in seiner Feier, preisgaben und die ich in dem ozeanischen Getöse des Madeleine- und Opernviertels hatte untertauchen lassen.  - (leiris2)

Angebot (6)  Sieh, sieh, sieh! hatte er sich gesagt, da begegnete er ihr zum drittenmal und fühlte ihren Blick auf sich, den Blick einer reifen, erfahrenen und mutigen Frau, die sich anbietet.

Schon an den Tagen zuvor hatte er sie bemerkt, denn auch sie schien auf der Suche. Es war eine ziemlich lange Engländerin, ein bißchen mager, die verwegene Engländerin, die Reisen und Lebensumstände zu einer Art Mann gemacht haben. Dabei war sie nicht übel, ging forsch, mit straffem Schritt, einfach gekleidet, nüchtern sogar, aber einen tollen Kopfputz trug sie wie alle ihre Landsmänninnen. Sie hatte ziemlich schöne Augen, vorspringende Backenknochen, die ein bißchen zu rot, und Zähne, die zu lang waren und immer im Wind standen. - (nov)

Angebot (7)  Lou, die in New Mexico eine bescheidene Farm ersteht, läßt mit England ein mondänes Leben hinter sich und mit diesem ihren Gatten. Sie nimmt aber den Hengst St. Mawr mit, ein schönes, unberechenbares Tier, das ihrem Manne beinahe das Genick gebrochen hätte. Sie rettet das Pferd vor ihrem Gatten, der es kastrieren lassen wollte, ein Racheakt, mit dem er den Hengst in die »eunuchenhafte Zivilisation« eingebracht hätte, als dessen Repräsentant Lou ihren Mann erlebt. Für sie und ihre Mutter ist der Hengst »das letzte männliche Geschöpf«. Was sich sonst an Männern anbietet, sind dies keine »Pans« sondern, wie das leichte Wortspiel ausführt, »Pan-Cakes«.  - (loe2)

Angebot (8)  

Kuhwarme Ziegen im Angebot

 - Kurt Schwitters, nach: Nautilus Literarischer Taschenkalender 1988

Angebot (9)

- N.N.

Angebot (10)

Dame offrant ses seins

- Tintoretto

Angebot (11)

- Franz Fiedler, Narre Tod, mein Spielgesell

Angebot (12) „Aha, biste schon auf, ja?" Eine fast kahlköpfige Alte, ihr Gesicht ein Memento mori, spricht ihn an; sie sitzt hinter einer über zwei Oxhoftfässer gelegten Planke. Ein schmaler Goldring hängt an ihrer Unterlippe wie eine Speichelblase. „Naja. Guten Morgen, der Herr", sagt sie. „Ha-haaa! Gut geruht, will ich hoffen. Wie war's mit'm kleinen Schlückchen, damit der Tag gleich richtig anfangen tut?" Zwei Zinnmaße so groß wie Eierbecher und ein Terrakotta-Krug stehen als Stilleben auf der Planke. Ein Schwein liegt unter der provisorischen Theke auf der Seite, seine wulstige Kieferpartie von einem umgekippten Nachttopf verdeckt, Hogarth hätte das Motiv großartig gefunden. Ned will bloß wissen, was vergangene Nacht passiert ist.

Plötzlich quietscht die alte Vettel auf, als hätte man sie erdolcht, ein langes, kratziges Einatmen: „Iiiiiih!" Das Pochen in Neds Hinterkopf wird zu einer ganzen Serie von Schlegelwirbeln, zum Donnergrollen, zum Dröhnen einer riesigen Baßtrommel. Aber Moment mal. Die Alte kriegt gar keinen Schlaganfall: sie lacht nur. Jetzt hustet sie, krächzt und klatscht auf die Planke, bis ihr ein langer gelber Schleimstreifen aus dem Mundwinkel hängt und zähflüssig auf das Holz trieft. „Hast dir..." keucht sie, „...hast dir wohl die Zunge verschluckt, Firsichgesicht?"

Hinter ihr hangt ein Schild an der Wand, die Buchstaben in spastischer Handschrift hingekrakelt:

BETRUNKEN FÜRN PENNY
STURZBESOFFEN FÜR ZWEI
SAUBRES STROH GRATIS

Ned schneidet ihr eine Grimasse. „Scheiß auf dich und deine Mutter und deine wassersüchtige Hexenbrut, du skrofulöse Nutte mit Fußballtitten!" ruft er und fühlt sich schon viel besser.

„Iüiiiiih!" kreischt sie. „Kein Sinn für Mutter Genevers Lixir, was? Gestern abend hat's dir noch ganz gut gefallen ... Na los, laß Mama mal deine Männlichkeit sehn - vielleicht tut's doch noch Heilung geben für dich." Lüstern hebt sie die Röcke hoch, spindeldürre Beine und ein vergilbter Busch Haare wie die Auflösung in einem Schauerromanroman.   - T. Coraghessan Boyle, Wassermusik. Reinbek bei Hamburg 1990

Angebot (13)

"Villon"

- A. Paul Weber

Angebot (14)

Angebot (15)

Angebot (16)

- N. N.

Angebot (17)

Angebot (18)

- Guido Crepax

Angebot (19)

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