nfälligkeit
Sie sehen, mein Fräulein,
die Menschen sind immerfort noch unaufgeklärt und anfällig für
die Tragödie, immerfort noch sieht es so aus, wenn einer die
Wahrheit spricht, als würde er lügen,
das Rechte erkennt man immer zu spät, da heiratete eine Schöne,
die das Lyzeum besucht hatte, nach der Lektüre
des Hüttenwerkbesitzers einen Geldmann,
doch besucht wurde sie öfters von einem Schlossersohn, und als
ihr Mann einmal früher heimkehrte und die beiden in der Wanne
ertappte, prügelte er den Schlossersohn derart, daß der taub
wurde, darum ermahnt Batista in
seiner Schrift über die Geschlechtsheilkunde
den Mann, sich nicht übermäßiger Leidenschaft
hinzugeben, am Nachmittag höchstens dreimal,
Katholiken viermal, auf daß sie nachher
keine sündigen Gedanken mehr haben, sie könnten sonst schlechte
Erfahrungen machen, sowas zersetzt das Blut,
anfällig dafür sind vor allem Sultane,
aber auch Päpste und Könige hatten damit
nicht immer Glück, nachher ist es zu spät
- (
hra
)
Anfälligkeit
(2) Einbildungskraft
ist kein Nährboden für Wahnsinn. Wahnsinn ist im
genauen Gegenteil eine Ausgeburt der Vernunft. Dichter
werden nicht verrückt, wohl aber Schachspieler.
Mathematiker werden verrückt, und Kassierer drehen
durch, kreative Künstler dagegen nur höchst selten. Wie man sehen wird, will
ich nicht etwa dem logischen Denken ans Leder: Ich sage
nur, daß die Gefahr, wahnsinnig zu werden, im logischen Denken und nicht in
der Einbildungskraft steckt. Künstlerische Vaterschaft
ist etwas ebenso Gesundes wie leibliche Vaterschaft. Es verlohnt im übrigen
festzuhalten, daß echte Krankhaftigkeit bei Künstlern normalerweise einer Anfälligkeit
für rationales Denken entspringt. Poe zum Beispiel
war tatsächlich krank, aber nicht, weil er dichtete, sondern weil er außergewöhnlich
analytisch veranlagt war. Selbst das Schachspiel
war zu poetisch für ihn; er lehnte Schach ab, weil sich in diesem Spiel wie
in einem Gedicht Ritter und Türme tummelten. - G. K. Chesterton,
Orthodoxie. Eine Handreichung für die Ungläubigen. Frankfurt am Main 2000
(zuerst 1908)
Anfälligkeit
(3) Dr. Stein war ein großer, schwerer Mann, immer tadellos angezogen. Ein Schönredner,
ein unermüdlicher Schwätzer. Er trug einen gepflegten, riesigen Bart, der seine
ausladenden Schultern noch breiter erscheinen ließ. Er ernährte sich ausschließlich
von saurer Milch, gedünstetem Reis und Bananenschnitten, die mit Butter bestrichen
waren. Für weibliche Reize war er sehr anfällig; seine salbungsvolle Art verbarg
ein brutales Temperament - das verrieten seine Plattfüße, die spatelförmigen
Nägel, sein stierer Blick, sein erstarrtes Lächeln.
Seine Fingerrücken waren dicht behaart.
- (
mora
)
Anfälligkeit (4) Im sechsten Jahr des Papstes Martin kam in Rom der Aberglaube auf, daß sich in der Stadt etliche Frauen und Männer in Katzen verwandelten und zahlreiche Kinder töteten. Einmal kam eine Katze in das Haus eines Bürgers und biß sein Kind, das in der Wiege lag. Das Kind schrie; der Vater stand schnell auf, nahm ein Messer und stach es der Katze durch den Kopf, als sie gerade wieder zum Fenster hinaus wollte. Früh am nächsten Morgen ließ sich die Nachbarsfrau die Sterbesakramente bereiten. Wie es gute Sitte ist, kamen die Nachbarn, um der Kranken ihr Mitgefühl zu zeigen; auch besagter Nachbar tat dies. Sie aber entgegnete ihm: »Wenn dir meine Krankheit wirklich leid täte, dann hättest du mir das nicht angetan.«
Drei Tage später hörte man, daß die Frau eine Wunde am Kopf habe. Der Nachbar
erinnerte sich an die Katze und auch an die Worte der Frau. Das brachte er vor
den Senat; die Frau wurde verhaftet und war geständig. Laut sagte sie {in Gegenwart
des Senats) vor dem Kapitol, sie würde sofort von hinnen fahren, wenn sie ihre
Hexensalbe hätte. O wie gerne hätten ich und auch so
mancher andere Höfling es gesehen, wenn man ihr die Salbe gegeben hätte! In
diesem Moment erhob sich ein gelehrter Doktor und mahnte, man solle ihr die
Salbe keinesfalls geben. Denn sonst könnte der Teufel großen Streit stiften,
wenn Gott es zuließe. Ich habe selbst gesehen, wie die Frau verbrannt wurde.
In Rom munkelte man seinerzeit, daß es dort sehr viele solcher Menschen gebe.
Auch erzählte man sich, daß so manche alte Frauen einen Mann auf Kälbern und
Bocken fortlocken könnten. Wenn dem so ist, dann sei sicher, daß es der Teufel
tut, und zwar nur zu dem einen Zweck, um die Menschen zu verführen und irrezuleiten.
Euer Gnaden wird fragen, warum so etwas eher alte Frauen als alte Männer tun.
Darauf antworten die Gelehrten, daß die Frauen im
allgemeinen in Gemüt und Glauben ungefestigter sind. Darum sucht sie der Teufel
öfter heim als die Männer. - (
hart
)
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