Anästhesie   Wir richteten einen Tisch her in der üblichen Weise. Rivers sagte, wir seien soweit, und forderte den großen Burschen auf, draufzuklettern. Was er auch tat.

Ich habe vergessen zu erwähnen, daß Millikin ein starker Trinker war. Er hatte damals auch vergessen, es mir zu sagen.

Kann losgehn mit dem Äther, sagte Rivers.

Nun, es dauerte nicht lange - nicht mehr als zwanzig Minuten - bis ich merkte, daß Äther diesem Burschen nichts anhaben konnte, wie man ihn auch verabreichte - außer vielleicht mit einem Tubus. Es gibt solche Menschen - kräftige, muskulöse Männer und Alkoholiker.

Inzwischen waren Rivers und sein Assistent bereit.

Moment mal, Doc, vermochte der Patient noch zu murmeln. Es war seltsam, der Mann war bis zu diesem Augenblick ganz still gewesen, so daß wir glaubten, er sei schon ohne Bewußtsein. Aber dem war nicht so.

Ich konnte sehen, wie Rivers die Geduld zu verlieren begann, aber ich goß schon einen Strahl Äther auf die Maske. Sie waren bereit zum Schneiden, die Hände gebürstet, das Laken am Platze, sie warteten nur noch.

Rivers fummelte herum, und ich selbst war auch in keiner besonders angenehmen Stimmung. Schließlich fragte er mich in scharfem Ton, ob ich nicht wüßte, wie man eine Narkose vornimmt. Ich spürte, wie ich rot wurde, sagte aber nichts. Statt dessen nahm ich das Chloroform her und fing an, es vorsichtig zu verabreichen. Rivers machte eine zustimmende Miene, äußerte sich aber nicht. Wir alle warteten ein oder zwei Minuten darauf, daß die Wirkung eintrat. Inzwischen schwitzten wir alle und waren wütend -auf den Patienten, aufeinander und auf uns selber.

Das Ende war, daß Rivers es nach drei Versuchen zu schneiden - jedesmal gab es ein Erdbeben unter unseren Griffen - sein ließ und sich an mich wandte.

He, sagte er, geben Sie mal die Maske her. Kommen Sie hier rüber und assistieren Sie Willie. Ich werde euch zeigen, wie man mit diesem Mann fertig wird.

Ich wollte mir die Hände bürsten. Er sagte: Nein, ziehen Sie die Handschuhe über. Ich gehorchte. Man konnte nichts anderes tun. Asepsis war schon längst im Winde verweht, während wir uns abmühten, daß der Mann nicht etwa zur Tür hinausspazierte.

Rivers nahm bloß die Chloroformflasche und goß sie diesem Klotz in den Schlund. Ich wartete darauf, daß er schwarz werden und die Besinnung verlieren würde.

Aber das tat er nicht.

Nach einigen Minuten befahl uns Rivers anzufangen.

Kaum berührte sein Assistent die Haut mit dem Messer, flogen schon die Knie des Mannes hoch. Ich war zu Tode erschrocken.

Los, los, rief Rivers aufgeregt, haltet ihn fest und fangt an.

Das taten wir auch. Einer hielt den Kopf und die Arme. Ich fiel schließlich als Assistent ganz aus, legte mich bäuchlings über die Oberschenkel des Mannes und klammerte mich an die Tischbeine auf der anderen Seite. Einer allein bewältigte die eigentliche Arbeit. Es gereicht ihm zur Ehre, daß er sie gut machte.  - William Carlos Williams, Der alte Doc Rivers, nach (messer)

 

Operation

 

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Narkose