- Lewis Thomas, The Lives of a Cell, nach: Michael
Bremer, Handbuch zu: SimAnt, der Ameisenkolonie-Simulator. 1991
(Maxis)
Ameise (2)
Ameise (3)
Ameise (4)
Ameise (5) In jedem Sommer käme ein Tag, an
dem sie aus dem Erdreich stiegen; vorher und nachher seien nur manchmal
ein paar von ihnen, eine hinter der andern in ihren Mauerstraßen zu sehen.
Gerade noch bist du vom Fensterbrett über den Verputz in den Hof gerutscht;
auf den Händen und hinten auf der Hose hast du nichts von ihnen gespürt;
bevor du aber weggehst, hörst du sie schon durch den waagrechten Riß aus
der Erde schwärmen. Du schaust dich um: du siehst flüssigen Teer von unten
herauf auf die Mauer schlagen, in dem Teer siehst du graue flache Steinchen
schwimmen, du siehst die Steine auf dem Rücken des Schwarms zum Fenster
aufbrodeln; du unterscheidest, auch wenn du nun vortrittst, in dem Schwärm
nicht die einzelnen Tiere, es wäre denn die mit den Flügeln, du siehst
unter ihnen kein Korn von der Mauer. Indem du zurücktrittst, starrst du
auf den Schwärm, welcher ohne Halt die Mauer hinaufleckt; du schaust und
du schaust, bis du die Blicke nicht mehr wegtun kannst, und du verschaust
dich. Noch ist das Fenster der Küche geöffnet. Wenn du rufst, wird jemand
kommen. Der ans Fenster gekommen ist, legt die Hände aufs Brett und lehnt
sich heraus; da er \om Essen noch müde ist, haben die . Arme die Hände
ins Brett eingebohrt, so daß er sie nicht mehr herausziehen kann; er steht
also vorgeneigt mit festgenagelten Fäusten; wie er sie kommen sieht, stößt
er den Laut aus dem Hals. Da haben sie indessen schon seine Finger gefaßt
und stürmen schon durch die schütteren Büschel der Haare auf den Fingern,
durch die Mulde zwischen den Knöcheln, über die Adern und gegen die Haare
auf dem unteren Arm zu den eingerollten Wülsten des Hemdes hinauf. Du erwartest,
daß er zurückspringt, daß er die Arme durch die Küche von sich wirft, und
daß er sie kreuz und quer an den Türstock und an den Tisch und an die Herdstange
streift. Er bleibt jedoch in der Haltung, in welcher er dort steht; nur
die geschwärzten, wimmelnden Arme breitet er aus und versperrt so das Fenster.
Ohne einzuhalten, leckt indes der Schwarm unter
die Wülste des Hemds hinauf; die mit den Flügeln
heben sich auf und schwirren ihm ins Gesicht. Dann kannst du sehen, wie
draußen die andern sich auf die Mauer und auf das Fensterbrett häufen:
sie steigen übereinander; die hinteren schütten die vorderen zu einem Wall
vor die Scheibe; die rutschenden Beine, den Abprall der Köpfe, das Verspritzen
des tierischen Wassers, das Schleifen der Flügel hörst du als leises Sieden,
als das Gezisch der Luft im kurzen und nassen Gras. Sie schütten einen
schwärzlichen Berg vor die Scheiben. Du kannst weder in die Küche schauen,
noch kannst du drin etwas hören: du stehst in das Schauspiel verschaut.
Wenn das Haustor hineinweicht, siehst du durch deinen starren Blick nur
einen Schatten gehen, der die Mauer entlang zu dem Fenster hintreibt. Dann
schüttelst du schnell den Kopf um und um, so daß vor deinen Augen der Schatten
sich auffüllt; du erkennst Hände, die einen braunen Emailtopf halten, du
erkennst an den Händen das jetzt herabgelassene Hemd, und in dem Gesicht,
über das die mit den Flügeln geschwirrt sind, erkennst du unter der heftig
schnaubenden Nase den Schnurrbart, der dir bekannt
ist. Der Mann hält den Topf nicht zwischen den beiden senkrecht gewölbten
Händen: vielmehr hat er das Taschentuch um den Henkel geschlagen und hält
solcherart den Topf in der aufgelockerten Faust; als er den Topfschnabel
senkt, siehst du darüber die Luft sich auf kräuseln; jedoch es fährt bis
jetzt noch kein Dampf oder Wasser heraus, die Flüssigkeit scheint dir zäh
im Innern zu kleben. Dann endlich springt der Strahl hervor und sticht
in den Wall. Sogleich fängt der Mann den Topf wieder auf und schiebt ihn
weit von sich weg, während er mit geneigtem Kopfe das Fenster betrachtet.
Du kannst den Schwarm dunsten und glänzen sehen; der Geruch der gesottenen
Leiber schleicht dir neu in die Kehle; du schluckst und du schaust, bis
du siehst, daß gegen das Fenster der Ansturm noch anschwillt und daß die
obenauf, welche tot sind, von den drängenden unteren fallen. Der Mann geht
zur Seite, schwingt das Gefäß hinter sich, holt von tief unten aus und
schüttet das kochende Wasser aufwärts in die Richtung des Heerzugs bis
zur Scheibenmitte schwungvoll über die Mauer. Dann siehst du ihn mit der
Faust auf das Glas hämmern und darauf dort die Vorhut des Schwarms sich
krümmen und lösen und zu den andern auf das Brett hinabstürzen. -
Peter Handke, Die Hornissen. Frankfurt am Main 1977
Ameise (6)
- N.N.
Ameise (7) Der Anblick von geflügelten Ameisen
ist ganz und gar nicht gut; sie prophezeien Tod und gefahrvolle Reisen. Die
anderen Arten dagegen bringen Bauern Segen; sie verheißen Fruchtbarkeit, denn
wo es keine Saaten gibt, bekommt man auch keine Ameisen zu Gesicht. Von guter
Vorbedeutung sind sie für Leute, die von der großen Menge leben, und für Kranke,
doch nur dann, wenn sie nicht um den Körper des Träumenden herumkriechen. Sie
heißen bekanntlich Arbeiterinnen und schaffen unermüdlich, eine Eigenschaft,
die nur Lebenden zukommt. Kriechen sie aber um den Körper des Träumenden herum,
prophezeien sie ihm den Tod369, weil sie Kinder der Erde, kalt und schwarz sind.
- (
art
)
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