Altersklage    Dem Alter schmerzen die Knochen, Krämpfe und Konvulsionen machen ihm ebenso zu schaffen wie Schwerhörigkeit und nachlassende Sehkraft. Der Mensch wird grau, faltig, unansehnlich, verändert sich so, daß er sein eigenes Gesicht im Spiegel nicht wiedererkennt und fällt sich selbst und seinen Mitmenschen zur Last. Nach Siebzig ist alles jammervoll; man lebt nicht mehr, sondern hält sich am Leben. Wer noch gesund ist, fürchtet die kommenden Gebrechen, wer krank liegt, wird seines Daseins überdrüssig, denn bloßes Vegetieren kann nach Martial nicht Leben heißen. Einer beklagt sich, daß es ihm am Nötigsten mangelt, einen zweiten drückt die Knechtschaft, den dritten eine verborgene oder unheilbare Krankheit, körperliche Mißbildung, ein unwiderbringlicher Verlust, eine Gefahr, der Tod der Freunde, Schifibruch, Verfolgung, Einkerkerung, Schmach, Zurückweisung, Schimpf, Schande, Verleumdung, Beleidigung, Verachtung, Undankbarkeit, Unfreundlichkeit, Hohn, Spott, eine unglückliche Ehe, das Ledigbleiben, Kinderreichtum, Kinderlosigkeit, aus der Art geschlagene Nachkommen, Unfruchtbarkeit, betrügerische Bedienstete, Verbannung, Unterdrückung, gescheiterte Hoffnung, Erfolglosigkeit usw.:

Andres von solcherlei Art - so viel ist's - könnte den Schwätzer Fabius selbst abmüden.  (Horaz)

Sogar er würde erschöpft innehalten, bevor er auch nur die Hälfte der Kümmernisse aufgeführt hätte. Sie füllen ganze Bände, und ich werde auf einige an geeigneter Stelle zurückkommen. Hier nur so viel: sie alle martern die Seele und lassen den Körper, der austrocknet, verdorrt und schrumpelt wie ein alter Apfel, zum Skelett abmagern. Beschwerliche Tage haben sie im Gefolge und freudlose Zeiten, die uns niederdrücken und kein Ende nehmen wollen. Dann heulen und brüllen wir, raufen uns die Haare wie die Figur des Kummers in Cebes' Bildbeschreibung und stöhnen vor Seelenpein.    - (bur)

Klage Alter

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