lpen-Satyr Urso, der freund wilder bienen - oder immenvillen, hatte schon seit einer guten weile durchs fernrohr die fließende landschafft bespäht, und mit einem mahle rieff er ganz laut: señor y gospod, faßt euch ein aug und sehet, was sich da unten für ein abendteur begibt! Ich faßte, wie schon so oft zuvor, nach dem messingenen perspectiv und gewahrte eine haarichte gestalt, die auf dem flimmernden zittergras des alpestren grundes herumhüpffte - ein ächter satyr! Schön und besser, ich habe desgleichen zuweilen und in manchen ländern beobachtet, allein dieser hier, eine mischung von altvorderem bockfüßler und prägoidelischem púca, übertraff meine erwartungen um ein ungelogen zwanzigfaches! Den mann müssen wir kennenlernen, rief ich meinen beiden passagiers zu. Nuckeli, der neufundländer sah von seiner bibel, in der er ernst-versonnen gelesen hatte, etwas verdutzt auff. Verzeiht, sagte er in seiner höflichen art, habt ihr etwas gesagt oder? Der verschmitzte, aber liebenswürdige ursus versetzte darauff mit einem bärenhafften lächeln: Es liegt ein honig in der lufft der welt, oder wie der mexicaner auff seine vernaculare weis meint: Està un cierto olor de miel en el mundo! Das war wohl gelogen, aber dannoch das recht beste in diesem augenblicke, wie hätte man auch jenem guten neuling unter uns, dem traumversunckenen Sir Tobias Nuckeli, diese minoische nouveauté ins innere seines felligen hauptes können bringen? . . Unser ballon senckte sich geschickt nach dem platze, wo der frühe werbock seine caprioli tantzte und darbei einen wimmerschincken auffs artigste bearbeitete . . Vorzüglicher fiedler! war mein erster gedancke nach der landung; endlich einmal was anderes, als das ewige zweierlei auf theorbe und pansflauta!
Sehr aus der nähe klang ein trommeln. Wir sprangen aus dem corb und fielen
in das weiche alpengrün - der musicalisch enragierte satyr hatte unsre ankunfft
überhaupt nicht bemerckt und schien sich, als wir uns mit frommen spitzohren
näherten, noch immer nicht unsrer gegenwart gewahr zu werden, schlug, während
er fiedel und bogen je nach lincks und rechts ausstreckte, wolgelungene salti,
und als er uns dann doch merckte, blieb er ein stock oder yogi, eins von beiden,
wenn der stock ein bein hätte, auff einem beine stehen und sah uns an wie der
hirsch, der zum ersten mal des grönländischen waltieres ansichtig wird. Das
trommeln war auch verstummt und alles lag in diesem momente so still da, daß
man nichts andres denn das unterdrückte schnauben des fabelfiedlers vernahme.
Erlauben sie, sagte ich nach einer weile, daß wir ihnen unsere ganze enthusiasmiertheit
für ihre kunst auffs höflichste ausdrücken? Der satyr erwiderte was, das nicht
einmal der alte Metastasius hätte verteutschen können - eine niegehörte sprache,
eine sprache, die es überhaupt nicht gibt, die er selber erfunden hat, um passanten
zu necken, die er von seiner mutter, vielleicht, gelernt hat, zirbeldrüse oder
lerchennümpfe. »Sprechen der herr etwa eine der gängigen hauptsprachen?« sagte
endlich mein bär - »haben kenntnisse im nahuatl, tlatzpotetl oder chirimatl?«
»Ja, vo alle drü«, gab er in akzentfreier landessprache zurücke, »abr ich ha
kä luscht, wie nen indianer z rede, da äne isch d Hundswilerhöchi und not de
Popocatepetl!« - »Indianer sind au mäntsche öppe hee!« versetzte mein gewaltiger
urso philosophisch; eine seltzame rede zwischen bär und satyr, wie mich mit
recht dünckte ... -
H. C. Artmann
,
Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach
Crain. Ein fragment von dem Autore selbst aus dem yukatekischen anno 1958 ins
teutsche gebracht sowie edirt & annotirt durch Klaus Reichert. München
1975 (dtv 1067, zuerst 1958)
|
||
|
|
|