llmacht Wenn
es einmal, wie mir deuchte, den letzten Rest meiner verlornen Existenz galt,
wenn mein Stolz sich regte, dann war ich lauter Wirksamkeit,
und die Allmacht eines Verzweifelten war in mir; oder wenn sie einen Tropfen
Freuden eingesogen hatte, die welke dürftige Natur, dann drang ich mit Gewalt
unter die Menschen, sprach, wie ein Begeisterter,
und fühlte wohl manchmal auch die Träne der Seligen im Auge; oder wenn einmal
wieder ein Gedanke, oder das Bild eines Helden in die Nacht meiner Seele strahlte,
dann staunt ich, und freute mich, als kehrte ein Gott ein in dem verarmten Gebiete,
dann war mir, als sollte sich eine Welt bilden in mir; aber je heftiger sich
die schlummernden Kräfte aufgerafft hatten, desto müder sanken sie hin, und
die unbefriedigte Natur kehrte zu verdoppeltem Schmerze zurück. - Friedrich Hölderlin,
Hyperion
(ca. 1793)
Allmacht (2)
Zu zu allen Zeiten und in allen Ländern hat man die Meinung gehegt, daß
außer der regelrechten Art, Veränderungen in der Welt hervorzubringen, mittelst
des Kausalnexus der Körper, es noch eine andere, von jener ganz verschiedene
Art geben müsse, die gar nicht auf dem Kausalnexus beruhe; daher auch ihre Mittel
offenbar absurd erschienen, wenn man sie im Sinn jener ersten Art auffaßte,
indem die Unangemessenheit der angewandten Ursache zur beabsichtigten Wirkung
in die Augen fiel und der Kausalnexus zwischen Beiden unmöglich war. Allein
die dabei gemachte Voraussetzung war, daß es außer der äußern, den nexum
physicum [physischen Zusammenhang] begründenden Verbindung zwischen den
Erscheinungen dieser Welt, noch eine andere, durch das Wesen an sich aller Dinge
gehende, geben müsse, gleichsam eine unterirdische Verbindung, vermöge welcher,
von einem Punkt der Erscheinung aus, unmittelbar auf jeden andern gewirkt werden
könne, durch einen nexum metapyysicum; daß demnach ein Wirken auf die
Dinge von innen, statt des gewöhnlichen von außen, ein Wirken der Erscheinung
auf die Erscheinung, vermöge des Wesens an sich, welches in allen Erscheinungen
Eines und das selbe ist, möglich seyn müsse; daß, wie wir kausal als natura
naturata [geschaffene Natur] wirken, wir auch wohl eines Wirkens als natura
naturans [schaffende Natur] fähig seyn und für den Augenblick den Mikrokosmos
als Makrokosmos geltend machend könnten; daß die Scheidewände der Individuation
und Sonderung, so fest sie auch seien, doch gelegentlich eine Kommunikation,
gleichsam hinter den Kulissen, oder wie ein heimliches Spielen unterm
Tisch, zulassen könnten; und daß, wie es, im somnambulen Hellsehn, eine
Aufhebung der individuellen Isolation der Erkenntniß giebt, es auch eine Aufhebung
der individuellen Isolation des Willens geben könne. Ein solcher Gedanke kann
nicht empirisch entstanden, noch kann die Bestätigung durch Erfahrung es seyn,
die ihn, alle Zeiten hindurch, in allen Ländern erhalten hat: denn in den allermeisten
Fällen mußte die Erfahrung ihm geradezu entgegen ausfallen. Ich bin daher der
Meinung, daß der Ursprung dieses, in der ganzen Menschheit so allgemeinen, ja,
so vieler entgegenstehender Erfahrung und dem gemeinen Menschenverstande zum
Trotz, unvertilgbaren Gedankens sehr tief zu suchen ist, nämlich in dem innern
Gefühl der Allmacht des Willens an sich, jenes Willens,
welcher das innere Wesen des Menschen und zugleich der ganzen Natur ist, und
in der sich daran knüpfenden Voraussetzung, daßjene Allmacht wohl ein Mal auf
irgend eine. Weise, auch vom Individuo aus geltend gemacht werden könnte. -
Arthur Schopenhauer,
Über den Willen in der Natur
Allmacht (3)
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