larmbereitschaft
Den Füßen pflegte der Purpurträger alle seine Beschwerden zuzuschreiben,
auch die häufigen Anfälle von Migräne, und ihnen widmete er weiche Samtpantoffeln,
seidene Strümpfe und auch ein paar Gebete. In der Hand, die von der Armlehne
des strengen Sessels herunterbaumelte, der zwischen den beiden Fenstern stand,
hielt der Kardinal einen großen Schlüssel fest umklammert. Dann und wann umnebelte
sich sein Sinn für eine kurze Weile, die Augen fielen ihm zu, der Kopf sank
nach hinten und die Finger lockerten ihren Griff, bis der Schlüssel herunterfiel
und das metallische Klirren auf dem Marmorboden den kaum begonnenen Schlaf unterbrach.
Der Kardinal richtete den Kopf wieder auf, öffnete wieder die Augen, und streckte
langsam die Hand aus, um den Schlüssel aufzuheben. Dann lehnte er den Kopf erneut
gegen die Rückenlehne seines hohen Sessels, senkte die Augenlider, und war erneut
zum Schlaf bereit. Kein Gedanke durchzog seinen Sinn, nur das verschwommene
Bild eines weiblichen Gesichts, das in einer Wolke von Traum und nachmittäglicher
Schwüle erschien und verschwand. Kurze Augenblicke der Ruhe verstrichen, bis
die Hand ihren Griff lockerte und der Schlüssel durch das gewohnte metallische
Klirren auf dem Marmorboden seinen Schlaf abermals unterbrach. Geduldig und
mit eingeübter Hartnäckigkeit hob der Kardinal den Schlüssel auf und schickte
sich an, die seltsame Übung zu wiederholen. Mit dieser Kriegslist, die wie eine
ausgeklügelte Folter erscheinen mochte, wollte der Kardinal sich nicht für die
Sünden bestrafen, die er trotz der hohen Würde des Purpurs sicherlich begangen
hatte. Er bediente sich vielmehr einer alten chinesischen Methode, um in ständiger
Alarmbereitschaft zu sein. Es scheint in der Tat, daß jene kurzen Momente, in
denen der Schlaf den Geist verdunkelt und sich unserer Glieder bemächtigt, diejenigen
sind, die eine wahre Erholung gewähren - mehr als ein langer Schlaf. - Luigi Malerba, Die nackten Masken. Berlin 1995
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