Ahnengalerie (2) Nachdem er rasch
das Kreuz geschlagen hatte, schlief der Edle vom Turm ein. Doch im Schlafzimmer
begann für ihn eine unruhige, schreckliche Nacht. André Cavaleiro und João Gouveia
brachen durch die Wand ein, im Kettenhemd auf furchterregenden gebratenen Quappen
reitend! Und langsam, mit dem bösen Auge blinzelnd, rückten sie gegen seinen
armen Magen mit Lanzenstichen vor, die ihn auf seinem Brasilholzbett stöhnen
und sich winden ließen. Dann waren es auf der Calçadinha von Vila-Clara der
fürchterliche tote Ramires mit seinen in der Rüstung knirschenden Knochen und
der König Alfonso II. mit fletschenden messerscharfen Wolfszähnen, die ihn wütend
in die Schlacht von Navas schleppten. Er, fest auf den Fliesen stehend, widerstand
und schrie nach der Rosa, nach der Graçinha, nach Titó! Doch D. Afonso versetzte
ihm mit seinem Eisenhandschuh einen so herben Schlag in die Nieren, daß er ihn
vom Gasthaus des Stotterers bis zur Serra Morena beförderte, bis zum Kampfplatz,
strahlend und tosend von Bannern und Waffen. Und gleich darauf riß sein Vetter
aus Spanien, Gomes Ramires, Meister von Calatrava, von seinem schwarzen Streitroß
herabgebeugt, ihm die letzten Haare aus, unter dem brandenden Hohngelächter
des gesamten Sarazenenheers und dem Wehklagen der Tante Louredo, die wie ein
Traggerüst auf den Schultern von vier Königen daherschwebte! . . . Schließlich,
zerschlagen, rastlos, während der Tag zwischen den Fensterritzen anbrach und
die Schwalben auf den Traufen der Dächer zwitscherten, gab der Edle vom Turm
seinen Bettlaken einen letzten Stoß, sprang auf den Fußboden, riß die Fensterladen
auf- - Eça de Queiros,
nach
(bo4)
Ahnengalerie (3)
Ahnengalerie
(4) Gegen die Eichentäfelung, die jenseits des länglichen
Tisches zur Deckenwölbung ragte, hingen lebensgroße Bildnisse: Guidos Vater
und Mutter, wie er behauptete. Die Dame: eine kostbare Florentinerin mit strahlenden,
verschmitzten Augen und einem überdeutlichen Mund. Riesenärmel, gepufft und
perlenbestickt, führten hinan zu einem vieleckigen Überwurf aus steifer Spitze;
der Kopf darunter war konisch und zopfgeschmückt. Unergründliche Mengen Gewandes
fielen um sie herab, sanftschwingende Schatten; die Schleppe, dick wie Teppich,
wogte durch eine Allee primitiver Bäume. Sie sah aus, als erwarte sie einen
Vogel. Der Herr dagegen saß auf einem Schlachtroß, in heikler Haltung. Er schien
weniger das Tier erstiegen zu haben, als vielmehr im Begriff, sich zu ihm herabzulassen.
Das Blau eines italienischen Himmels lag zwischen Sattel und lederfarbenem Reitersteiß.
Das Pferd war vom Künstler bei der Ausführung eines fallenden Bogens eingefangen,
die abstehende Mähne noch im ersterbenden Schwung, der Schwanz nach vorn fallend
zwischen dünne schräg angewinkelte Beine. Die Kleidung des Herrn war eine frappierende
Mischung aus Romantik und Religion. Zwischen den Gelenken des linken Armes hielt
er, Krone nach außen, einen federgeschmückten Hut. Das gesamte Bild hätte der
Auffassung nach ein Fastnachtsscherz sein können. Der Kopf des Herrn, im schrägen
Winkel aufgesetzt, hatte bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Guido Volkbein: die
gleiche schwungvolle, kabbalistische Nasenkurve, die Gesichtszüge gereift und
warm. Nur nicht dort, wo das jungfräuliche Blau der Augäpfel in der Wölbung
des Lides verschwand; dort unter diesem Fleisch, schien außer der Sehkraft noch
ein anderes Element seinen Standort bezogen zu haben. Dieser starre Bück, endlos
und objektiv, kannte die Entspannung nicht. Die Ähnlichkeit indessen war zufällig.
Hätte jemand sich die Mühe gemacht, der Sache nachzuforschen, so wären als Modelle
dieser Gemälde zwei wackere Schauspieler von gestern zutage getreten. Guido
hatte sie in einer vergessenen, verstaubten Ecke gefunden und sie erworben,
als sich herausstellte, daß er ein Alibi für sein Blut brauchte. - Djuna Barnes, Nachtgewächs. Frankfurt am Main 1981 (zuerst 1936)
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