Für das Porzellan, die Gläser und die Silberbestecke bereitete er im Abwaschbecken ein Schaumbad, und mit unendlicher Behutsamkeit versenkte er die aquamarinblaue Schale im lauwarmen Schaum. Als sie im Spülwasser verschwand, gab ihr klingendes Flintglas einen Ton von gedämpfter Sanftheit von sich. Er spülte die bernsteinfarbenen Kelchgläser und das Silber unter dem Hahn ab und tauchte sie in denselben Schaum. Dann fischte er Messer, Gabeln und Löffel heraus, spülte sie ab und begann sie abzuwischen. Er arbeitete sehr langsam und mit einer gewissen Unbestimmtheit in seinen Verrichtungen, der bei einem weniger systematischen Menschen als ein Dunst von Geistesabwesenheit hätte gelten können. Die abgewischten Löffel bündelte er zu einem Sträußchen, stellte sie in einen Krug, den er abgewaschen, aber noch nicht abgetrocknet hatte, nahm sie einen nach dem anderen wieder heraus und rieb sie abermals ab. Unter dem Schaum, um die Kelchgläser herum und unter der melodiösen Schale tastete er nach etwa vergessenem Silber — und brachte einen Nußknacker zum Vorschein. Der heikle Pnin spülte ihn und war gerade dabei, ihn abzuwischen, als das langbeinige Ding irgendwie aus dem Geschirrtuch schlüpfte und herunterfiel wie ein Mann von einem Dach. Fast hätte er ihn aufgefangen — seine Fingerspitzen berührten ihn im Fallen, aber das trug nur dazu bei, ihn in den den Schatz bergenden Schaum des Spülbeckens zu dirigieren, wo auf das Eintauchen das qualvolle Klirren splitternden Glases folgte.
Pnin schleuderte das Küchentuch in eine Ecke, wandte sich ab und starrte
einen Augenblick in die Schwärze jenseits der Schwelle der offenen Hintertür.
Ein ruhiges kleines grünes Insekt mit geklöppelten Flügeln kreiste im Schein
einer starken nackten Lampe über Pnins glänzendem Kahlkopf. Mit seinem zahnlosen,
halb offenstehenden Mund und einem trüben Tränenschleier in seinen leeren, ungerührten
Augen wirkte er sehr alt. Dann ging er mit einem Seufzer gequälter Vorahnung
zum Spülbecken zurück, faßte sich ein Herz und langte mit der Hand tief in den
Schaum. Ein Glassplitter stach ihn. Vorsichtig holte er ein zerbrochenes Kelchglas
heraus. Die schöne Glasschale war unversehrt. Er nahm ein frisches Geschirrtuch
und fuhr in seiner Hausarbeit fort. - Vladimir Nabokov, Pnin. Reinbek bei Hamburg 2004
(zuerst 1957)
Abwasch (2) Ordnung kommt keine in die Welt, solange der Abwasch nicht vor dem Essen abgewaschen werden kann. Soziologische Reihen, auch billige Ausgaben, helfen da nicht. Und der grandiose Grundgedanke der Psychologie, Herkunft bäbä gleich Denken bäbä, erweist sich als ungenügendes Laxativum.
Man kann das Problem nur diktatorisch umgehen anstatt die Teller stehen zu
lassen, aber schließlich weiß doch jeder, daß der kolumbianische Knoten und
das gordische Ei keine beweiskräftigen Lösungen sind. Letzten Endes wird immer
bewiesen, wie sinnvoll die Anarchie ist. -
(
eich
)
Abwasch (3) Mama und Tante Ruth waren
nach dem Abwasch des Geschirrs immer ganz erschöpft, zumal wenn Holanda
und ich die Teller abtrockneten, weil es dann Debatten gab, auf dem Boden
landende Löffelchen, Sätze, die nur uns verständlich waren, und im allgemeinen
eine Atmosphäre, in der der Geruch nach Fett, das Miauen von Jose und die
Dunkelheit der Küche in einem wüsten Streit mit anschließendem Kuddelmuddel
endeten. Holanda hatte sich darauf spezialisiert, dieser Art Unruhen zu
stiften, indem sie beispielsweise ein schon abgewaschenes Glas in den Blechbottich
fallen ließ oder wie nebenbei bemerkte, daß es bei den Loza für jede Hausarbeit
zwei Dienstmädchen gab. Ich wandte andere Strategien an, redete lieber
Tante Ruth ein, daß ihre Hände rissig werden würden, wenn sie weiterhin
die Tiegel scheuerte, anstatt sich den Tassen oder Tellern zu widmen, die
aber gerade Mama mit Vorliebe abzuwaschen pflegte, wodurch ich sie heimlich
in einen Streit über die Bevorteilung durch die leichtere Arbeit verwickelte.
Der heldenhafte Ausweg, wenn wir der Ratschläge und langatmigen Familienerinnerungen
leid wurden, war, kochendes Wasser auf den Rücken der Katze zu kippen.
Der Spruch von der wasserscheuen Katze ist eine glatte Lüge, es sei denn,
er bezieht sich ausdrücklich auf das kalte Wasser; denn dem heißen ging
Jose niemals aus dem Weg, ja das gute Tierchen schien sich förmlich anzubieten,
daß man ihm eine halbe Tasse Wasser übergoß, das hundert Grad oder nicht
viel weniger, wahrscheinlich aber sehr viel weniger heiß war, denn die
Haare fielen ihm nie aus. -
Julio Cortázar, Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt
am Main 1998
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