Abstraktionsfähigkeit  Lange Zeit liebte man es, auf jene Sprachen hinzuweisen, denen die Ausdrücke fehlen, um Begriffe wie Baum oder Tier zu bilden, obwohl sich in diesen Sprachen alle Wörter finden, die für eine detaillierte Bestandsaufnahme der Arten und Spielarten nötig sind. Wenn man diese Fälle heranzog, um die These zu untermauern, die »Primitiven« seien des abstrakten Denkens unfähig, ließ man freilich andere Beispiele beiseite, die bewiesen, daß der Reichtum an abstrakten Wörtern eine Eigenschaft nicht nur der zivilisierten Sprachen ist. So gebraucht das Chinook, eine Sprache des Nordwestens der Vereinigten Staaten, abstrakte Wörter, um zahlreiche Merkmale und Eigenheiten der Lebewesen und der Dinge zu bezeichnen: »Dieser Vorgang«, sagt Boas, »ist viel häufiger als in jeder anderen mir bekannten Sprache.« Der Satz: Der böse Mann hat das arme Kind getötet, wird im Chinook wiedergegeben durch: Die Bosheit des Mannes hat die Armut des Kindes getötet; und um zu sagen, eine Frau benütze einen zu kleinen Korb, sagt man: sie legt Wurzeln vom Fingerhut in die Kleinheit eines Muschelkorbes.  - Claude Lévi-Strauss, Das wilde Denken. Frankfurt am Main 1991 (zuerst 1962)
 

Abstraktion Fähigkeit

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