bstammung  Pulsiert um den Leichnam Heliogabals, der ohne Grab endete, abgeschlachtet von seiner Polizei in den Latrinen seines Palastes, ein mächtiger Strom von Blut und Exkrementen, so pulsiert um seine Wiege ein mächtiger Strom von Sperma. Heliogabal wird in einer Zeit geboren, wo jeder mit jedem schlief; und man wird nie erfahren, wo und von wem seine  Mutter wirklich geschwängert worden ist. Für ihn als syrischen Fürsten gibt die Abkunft mütterlicherseits den Ausschlag; - was aber die Mütter angeht, schart sich um diesen neugeborenen Fuhrmannssohn ein Siebengestirn von Julien; - und alle diese Julien, ob sie regieren oder nicht, sind hochgestellte Dirnen. Der Stammvater dieser weiblichen Quelle, dieser Flut von Schamlosigkeiten und Niedertracht mußte, bevor er Priester wurde, Fuhrmann gewesen sein, denn sonst wäre die Versessenheit, mit der sich Heliogabal als Herrscher von Fuhrleuten sodomisieren ließ, ganz unerklärlich.

Jedenfalls stößt die Geschichtsschreibung, die Heliogabals Abstammung über die weibliche Linie zurückverfolgt, unweigerlich auf diesen vertrottelten, nackten Schädel, auf dieses Fuhrwerk und diesen Bart, die in unserer Erinnerung zur Erscheinung des alten Bassianus gehören.

Daß diese Mumie einem Kult dient, spricht nicht gegen den Kult, wohl aber gegen die stumpfsinnigen, leeren Riten, auf welche die Zeitgenossen der Julien und des Bassianus sowie das Syrien zur Zeit von Heliogabals Geburt diesen Kult schließlich beschränkt hatten.

Doch man wird erleben, wie dieser tote, auf ein Gerippe von Gesten beschränkte Kult, dem sich Bassianus weihte, mit dem Auftauchen des jungen Heliogabal auf den Stufen des Tempels von Emesa unter mancherlei Glaubensformen und Entstellungen seine Energie konzentrierten Goldes, hallenden, verwandelten Lichtes, zurückgewinnt und aufs neue wunderbar wirksam wird.

Jedenfalls stützt sich dieser Ahn Bassianus wie auf Krücken auf ein Bett und macht mit irgendeiner Frau zwei Töchter, Julia Domna und Julia Moesa. Er macht sie, und zwar prächtig. Sie sind schön. Schön und fertig für ihr doppeltes Gewerbe als Kaiserinnen und Nutten.

Mit wem hat er diese Töchter gemacht? Die Geschichte kann darüber bis zur Stunde nichts berichten. Geben wir also zu, besessen wie wir sind von den vier Medaillenköpfen der Julia Domna, Julia Moesa, Julia Soemia und Julia Mammoea, daß es keine Rolle spielt. Wenn nämlich Bassianus zwei Töchter macht, Julia Domna und Julia Moesa, so setzt Julia Moesa ihrerseits zwei Töchter in die Welt: Julia Soemia und Julia Mammoea. Und Julia Soemia, die mit Sextus Varius Marcellus verheiratet, doch zweifellos von Caracalla oder Geta (Söhnen der Julia Domna, ihrer Tante) oder von Gessius Marcianus, ihrem Schwager, dem Gatten der Julia Mammoea, oder vielleicht von Septimius Severus, ihrem Oheim mütterlicherseits, geschwängert worden ist, gebiert Varius Avitus Bassianus, später Elagabalus oder Sohn der Gipfel, Pseudantoninus, Sardanapal und schließlich Heliogabal zubenannt, ein Name, der offenbar die glückliche grammatikalische Kontamination der ältesten Bezeichnungen für die Sonne ist. - Antonin Artaud, Heliogabal oder Der Anarchist auf dem Thron. München, Frankfurt am Main 1980 (zuerst 1967)

Abstammung (2)  Die Hellenen unterstanden nun den verschiedenen Feldherren, jede Stadt dem ihren, doch derjenige, zu dem alle am meisten aufschauten und der auch den Oberbefehl über die gesamte Streitmacht hatte, war der Lakedaimonier Leonidas, Sohn des Anaxandrides, Sohnes des Leon, Sohnes des Eurykratides, Sohnes des Anaxandros, Sohnes des Eurykrates, Sohnes des Polydoros, Sohnes des Alkamenes, Sohnes des Teleklos, Sohnes des Archelaos, Sohnes des Hegesilaos, Sohnes des Doryssos, Sohnes des Leobotes, Sohnes des Echestratos, Sohnes des Agis, Sohnes des Eurysthenes, Sohnes des Aristodemos, Sohnes des Aristomachos, Sohnes des Kleodaios, Sohnes des Hyllos, Sohnes des Herakles, und ihm war die Königswürde in Sparta unerwartet zugefallen. - (hero)

Abstammung (3)  Wenn ein Eselhengst eine Pferdestute schwängert, wird das Fohlen ein Maultier (Mulus) sein; der Maulesel (Equus hinnus) hingegen stammt von einem Pferdehengst und einer Eselin ab. Der Maulesel, seltener als das Maultier gezüchtet, ist seiner Mutter, der Eselsstute, ähnlicher als einem Roß; das Maultier dagegen sieht eher wie ein Pferd aus. Beide Bastarde sind größer und kräftiger als Equus asinus domesticus, und insbesondere das Maultier, gewöhnlich 'Muli' genannt, zeichnet sich durch Ausdauer und sicheren Tritt aus. -  (schen)

Abstammung (4)  Es heißt, daß die Verlorene Zeit die Unwissenheit heiratete. Sie bekamen einen Sohn, mit Namen Ich dachte nicht. Dieser heiratete die Jugend. Sie bekamen vier Kinder: Ich wußte nichtm  Ich dachte nicht, Es ist mir entgangen und Wer hätte das gedacht. Wer hätte das gedacht heiratete die Unachtsamkeit, und sie bekamen die Kinder: Schon gut, Hat Zeit bis morgen, Hat keine Eile, Das wird schon.

Hat keine Eile heiratete die edle Dame Ich dachte nicht. Sie bekamen die Kinder: Ich habe mir nichts dabei gedacht, Ich weiß, wovon ich rede, Ich laß mich nicht für dumm verkaufen, Mach dir mal keine Sorgen, Das übernehme ich.

Ich weiß, wovon ich rede heiratete die Eitelkeit, und sie bekamen folgende Kinder: Entweder oder, Ich kriege schon noch, was ich will, Ich fordere Respekt, Es wird dir an nichts fehlen.

Es wird dir an nichts fehlen heiratete Ich fordere Respekt. Sie bekamen die Kinder: Es wird schon werden und Verhängnis.

Letzteres heiratete Kleines Hirn, und sie bekamen die Kinder: Eine schöne Bescherung, Was geht ihn das an, Mir scheint, Man stirbt nur einmal, Ich kriege schon noch, was ich will, Die Zukunft wird's lehren, Auf Biegen und Brechen, Verschont mich mit Euren Ratschlägen, Laß die Leute doch reden, Keinen blassen Schimmer, Koste es, was es wolle, Was kümmert's mich, Wir werden schon nicht verhungern, Ist doch kein Beinbruch.

Ich fordere Respekt war verwitwet und ging eine zweite Ehe ein, und zwar mit der Dummheit. Als das Erbe restlos durchgebracht war, sagten sie sich: »Hab Geduld, wir werden ein Darlehen aufnehmen, damit wir dieses Jahr ein angenehmes Leben fuhren, und nächstes Jahr wird Gott es richten.« Dazu geraten von Es wird dir an nichts fehlen taten sie dies. Als sie nach Verstreichen der Zahlungsfrist kein Geld hatten, die Zinsen zu begleichen, brachte sie der Wahn ins Gefängnis. Gott vergibt den Seinen stattete ihnen einen Besuch ab. Die Armut führte sie ins Krankenhaus, wo schließlich die Macht des Ich fordere Respekt und des Es war mir entgangen erlosch. Man legte sie ins Grab zu ihrer Urgroßmutter, der Dummheit. Sie hinterließen, zerstreut in aller Welt, viele Kinder und Enkelkinder.  - Juan Pérez de Moya: Über die Herkunft der Trottel, nach: Matthijs van Boxsel, Enzyklopädie der Dummheit. Berlin 2001

Abstammung (5)  Der Anfang von allem sei die Einheit (Monade); aus der Einheit aber stamme die unbestimmte Zweiheit, die gleichsam als Materie der Einheit, ihrer Ursache, zugrunde liege. Aus der Einheit ferner und der unbestimmten Zweiheit stammen die Zahlen; aus den Zahlen die Punkte, aus diesen die Linien, aus diesen die Flächengestaltungen, aus den Flächen die stereometrischen (mathematischen) Körper, aus diesen die sinnlich wahrnehmbaren Körper, deren Elemente, vier an der Zahl, folgende sind: Feuer, Wasser, Erde, Luft; sie unterliegen der Veränderung und einer durchgängigen Wandelbarkeit, und es bildet sich aus ihnen eine beseelte Welt, vernunftbegabt, kugelförmig, mit der Erde als ihrem Mittelpunkt, die auch ihrerseits kugelrund und bewohnt ist. Auch Antipoden gibt es, denen unser Unten das Oben ist. - Pythagoras, nach (diol)

Abstammung (6)

Vom Empfangen das Wachstum,
Vom Wachstum das Denken,
Vom Denken das Erinnern,
Vom Erinnern das Bewußtsein,
Vom Bewußtsein das Verlangen.

Das Wort ward fruchtbar;
Es lag bei dem schwachen Glimmen;
Es zeugte die Nacht:
Die große Nacht, die lange Nacht,
Die tiefste Nacht, die höchste Nacht,
Die dichte Nacht, die fühlbare,
Die greifbare Nacht,
Die unsichtbare Nacht,
Die Nacht, deren Ende der Tod ist.

Vom Nichts das Zeugen,
Vom Nichts das Wachstum,
Vom Nichts der Überfluß,
Die Kraft des Wachstums,
Der lebende Odem.
Es lag bei dem leeren Raum und erzeugte das Luftmeer über uns.

Das Luftmeer, das über die Erde hinflutet,
Das große Firmament über uns, lag bei der Urdämmerung,
Und es entsprang der Mond;
Das Luftmeer über uns, lag bei dem glimmenden Himmel.
Und dadurch entstand die Sonne;
Mond und Sonne wurden emporgeschleudert, als die beherrschenden Augen des Himmels:
Da wurden die Himmel licht:die Urdämmerung, der Urmorgen,
Der Urmittag: das Feuer des Tags kam vom Himmel.
Der Himmel droben lag bei Hawaiki, und erzeugte das Land.

- Maori-Genealogie, nach: Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten.  Frankfurt am Main 1978 (st 424, zuerst 1949)

Abstammung (7)  Im Anfang war ein unendliches Wasser über der Erde. Auf einem Floß fuhr ein Großer Hase, der die Herrschaft über eine Anzahl andrer Tiere hatte. Kein Land war zu finden und man sah nur die Vögel über dem unendlichen Wasser. Biber, Fischotter und Moschusratte mußten nacheinander tauchen, um Erde vom Boden des Meeres heraufzuholen, aber nur die Moscjiusratte kam zurück, zwar ohne Lebenszeichen, aber sie hatte Erde in den Krallen, und daraus machte der Große Hase eine Insel, indem er viele Male um den Rand dieses Erdkorns herumrannte, und bei jeder Umkreisung wuchs das Land. Nach dem Hasen umrannte der Fuchs wiederum das Land, und es wuchs noch erheblich weiter. Als dann die ersten Tiere starben, machte der Große Hase aus den Leichen Menschen. Hieraus ergibt sich, daß alle Menschen einen Ahn haben, der ein Tier war, und dieses Tier ist stets noch an ihnen zu erkennen.   - Algonkin-Mythos, nach: Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München 1922
 

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