Absolution    »Ich habe sogar in der Kirche alle die Sünden gebeichtet, die ich gern begangen hätte und nicht beging, und habe den Herrgott aus tiefstem Herzen gebeten, er möge mich in die Lage versetzen, sie zu begehen. Und wie glücklich war ich, wenn der Beichtvater bei manchem, was ich ihm erzählte, den Kopf schüttelte und brummte: ›Zuviel, mein Sohn, zuviel. Weißt du, daß ich dir keine Absolution erteilen kann?‹«

»Aber soll ich dir glauben?«

Antonio prustete kurz und bitter lächelnd los wie jemand, der sich höchst zierlich die Nase putzt. »Die Gräfin K. ist die einzige gewesen«, fuhr er fort, »die die Wahrheit vermutet haben muß, denn eines Abends sagte sie zu mir: ›Antonio, seien Sie ehrlich, wäre es Ihnen nicht am bequemsten, wenn Sie eine Frau mit den Augen besitzen könnten?‹ Ich weiß nicht, ob sie damit darauf anspielen wollte, daß ich die Augen gewisser Sizilianer hätte, von denen sie ani Abend vorher gesprochen hatte: sie brauchen ein Mädchen nur anzusehen und machen ihr schon ein Kind.«

»Oh, das Schwein...«, rief der Onkel. »Und warum kommt sie nicht her, damit sie es mit ihr wie toll treiben? Und natürlich nicht mit den Augen.«

»Oder vielleicht wollte sie sagen, ich hätte allein mit den Augen...«

»Oh, tausendfaches Schwein! Schwein von Seiten der Mutter, der Großmutter, der Tochter, der Schwester...«  - Vitaliano Brancati, Schöner Antonio. Nördlingen 1985 (Die Andere Bibliothek 7)

Absolution (2)  In den ersten Jahrhunderten unserer Ära haben die Gnostiker mit den Christen disputiert. Sie wurden vernichtet, doch können wir uns ihren Sieg als Möglichkeit vorstellen. Hätte Alexandria triumphiert und nicht Rom, so wären die verschrobenen, wirren Geschichten, die ich hier wiedergegeben habe, zusammenhängend, majestätisch und alltäglich. Sentenzen wie die von Novalis: »Leben ist eine Krankheit des Geistes", oder wie die verzweifelte von Rimbaud: »Das eigentliche Leben ist abwesend, wir sind nicht in der Welt«, wären Blitze in den kanonischen Büchern. Spekulationen wie die von Richter über den stellaren Ursprung und seine zufällige Aussaat auf diesem Planeten erführen die bedingungslose Zustimmung frommer Laboratorien. Auf jeden Fall: welches bessere Geschenk als das unserer Bedeutungslosigkeit können wir empfangen, welcher Ruhm kann für einen Gott größer sein als die Absolution von der Welt?  - Jorge Luis Borges, Eine Rechtfertigung des falschen Basilides. In: J.L.B., Kabbala und Tango. Essays. Frankfurt am Main 1991
 

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