bsetzung Im Februar 897 beraumte Papst Stephan VI. eine Synode
an, die über den Monate zuvor vergifteten Formosus ein feierliches Gericht halten
sollte. Unter dem Schutz des Rom beherrschenden Lambert von Spoleto versammelten
sich Kardinale und geistliche Würdenträger. Der tote Formosus wurde aus dem
Grab geholt und die stark verweste Leiche in vollem Ornat auf den Thron gesetzt.
Nachdem der Papst ihm einen Advokaten als Sprecher an die Seite gegeben hatte,
redete er den Stummen mit den Worten an: »Warum hast du dich aus Ehrsucht verleiten
lassen, den Apostolischen Stuhl zu usurpieren? Warst du doch Bischof von Portus?
Du hast also deine erste Braut wegen der anderen verlassen und mußt so als Meineidiger
verdammt werden, der seine Kirche verlassen hat.« Es gab Beschlüsse alter Konzile,
die Bischöfen untersagten, von einem Stuhl auf den anderen zu wechseln. Es existierten
aber auch Beschlüsse, die dieses Verbot in bestimmten Notlagen wieder aufhoben.
Alles in allem handelte es sich um eine kirchenrechtlich sehr undurchsichtige
Angelegenheit. Was der Rechtsbeistand antwortete, wenn er vor Grauen überhaupt
sprechen konnte, wissen wir nicht. Stephan aber erklärte unter Zustimmung aller
anwesenden Bischöfe und Kardinale den Angeklagten für schuldig, mit unerlaubten
Mitteln sein Amt errungen zu haben. Alle unterzeichneten das Absetzungsdekret
und das Verdammungsurteil. Nun wurden dem Leichnam die päpstlichen Gewänder
heruntergerissen, die drei Finger, mit denen Formosus gesegnet und geschworen
hatte, abgeschnitten, und schließlich wurde dem Toten noch der Kopf abgehauen.
Man schleppte den Rumpf unter wildem Triumphgeschrei durch die Straßen und warf
ihn unter Beifall des Pöbels in den Tiber. - Albert Christian Sellner,
Immerwährender Päpstekalender. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek
260)
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