bschiedsbrief   Mein Freund,

Ich weiß nicht ob Du noch in London bist, wenn dies Dich erreicht. Indessen lege ich doch Wert darauf Dir zu sagen, daß du im Grunde verstehen mußt, schließlich, daß ich unbedingt fortgehen mußte, daß dies gewalttätige und ganz aus Szenen ohne Anlaß bestehende Leben und Deine verschrobenen Einfälle mich nicht länger verrückt machen durften!

Nur, da ich Dich über alle Maßen liebte (Honni soit qui mal y pense!), lege ich auch Wert darauf, Dir klar zu sagen, daß, wenn ich von jetzt an in drei Tagen nicht mit meiner Frau wieder versöhnt bin, in tadelloser Verständigung, ich mir einen ins Maul brenne. Drei Tage Hotel, ein rivolvita [Revolver], das kostet einiges: daher rührt meine «Knauserigkeit» letzthin. Du müßtest mir vergeben.

Wenn ich, wie es nur zu wahrsch ist, diesen letzten Scheißdreck mache, werde ich ihn wenigstens als braves Arschloch tun. - Mein letzter Gedanke, mein Freund, wird Dir gelten, Dir der Du mich vorhin vom Pier aus riefst, und mit dem ich nicht wieder zusammenkommen wollte, weil es nötig war, daß ich abkratzte, -ENDLICH! -

Willst Du, daß ich Dich im Verrecken umarme?

Dein armer

P. Verlaine

Verlaine, nach Félix Vallotton

- Verlaine an Rimbaud, nach: Arthur Rimbaud, Briefe Dokumente. Hg. Curd Ochwadt. Reinbek b. Hamburg 1964 (Rowohlts Klassiker 155/156)

Abschiedsbrief (2)   Die Tür zu Ricardos Schlafzimmer war angelehnt. Auf dem Boden, den molligen Fellteppich mit ruchlosem Blut besudelnd, lag der Leichnam auf dem Rücken hingestreckt. Der noch warme Revolver bewachte seinen ewigen Schlaf.

Ich verkünde es laut und feierlich: Der Entschluß war vorbedacht. Dies bestätigt und bekräftigt die beklagenswerte Notiz, die er uns hinterließ: dürftig wie von einem, der die überreichen Mittel des Romanischen nicht kennt; armselig wie von einem Stümper, der nicht über einen Vorrat von Adjektiven verfügt; fade wie von einem, der mit dem Wort nicht zu spielen weiß. Sie bekundet genau das, was ich vom Katheder der herab oft genug behauptet habe: Die Absolventen unserer sogenannten Schulen kennen in keiner Weise die Mysterien des Lexikons. Ich werde sie Ihnen vorlesen, und Sie werden der feurigste Kämpfer sein in diesem Kreuzzug für die Verfeinerung der Sprache.«

Dies ist der Brief, den Bonfanti vorlas, wenige Augenblicke, bevor Don Isidro ihn hinauswarf:

»Das Schlimmste ist, daß ich immer glücklich gewesen bin. Jetzt hat alles sich verändert und wird sich weiter verändern. Ich bringe mich um, weil ich nichts mehr begreife. Alles, was ich erlebt habe, ist Lüge. Von der Pumita kann ich nicht Abschied nehmen, weil sie schon tot ist. Was mein Vater an mir getan hat, hat kein Vater auf der ganzen Welt getan; ich möchte, daß alle das wissen. Lebt wohl und vergeßt mich.«  - H. Bustos Domecq: Sechs Aufgaben für Don Isidro Parodi, nach:  Jorge Luis Borges, Adolfo Bioy Casares: Mord nach Modell. Frankfurt am Main 1993

Abschiedsbrief (3)  Meinem Vater ist der Selbstmord mißglückt, als er sich mit fünfundachtzig Jahren von einer Brücke stürzte, nicht aus Verzweiflung, sondern, wie er mir in dem Brief schrieb, in dem er seinen düsteren Beschluß ankündigte, «weil ich auf dem rechten Ohr etwas harthörig zu werden beginne. Die Natur ist nicht gut gemacht, lieber Junge. Der Mensch sollte an seinem Alter sterben wie ein tausendjähriger Eichbaum im Wald, der auf einen Schlag in Staub zerfällt.»   - Blaise Cendrars, Sternbild Eiffelturm. Zürich 1982 (zuerst 1949)

Abschiedsbrief (4)  Meine liebste Marie, mitten in dem Triumphgesang, den meine Seele in diesem Augenblick des Todes anstimmt, muß ich noch einmal Deiner gedenken und mich Dir, so gut wie ich kann, offenbaren: Dir, der einzigen, an deren Gefühl und Meinung mir etwas gelegen ist; alles andere auf Erden, das Ganze und Einzelne, habe ich völlig in meinem Herzen überwunden. Ja, es ist wahr, ich habe Dich hintergangen, oder vielmehr ich habe mich selbst hintergangen; wie ich Dir aber tausendmal gesagt habe, daß ich dies nicht überleben würde, so gebe ich Dir jetzt, indem ich von Dir Abschied nehme, davon den Beweis. Ich habe Dich während Deiner Anwesenheit in Berlin gegen eine andere Freundin vertauscht; aber wenn Dich das trösten kann, nicht gegen eine, die mit mir leben, sondern, die im Gefühl, daß ich ihr ebenso wenig treu sein würde, wie Dir, mit mir sterben will. Mehr Dir zu sagen, läßt mein Verhältnis zu dieser Frau nicht zu. Nur so viel wisse, daß meine Seele, durch die Berührung mit der ihrigen, zum Tode ganz reif geworden ist; daß ich die ganze Herrlichkeit des menschlichen Gemüts an dem ihrigen ermessen habe, und daß ich sterbe, weil mir auf Erden nichts mehr zu lernen und zu erwerben übrig bleibt. Lebe wohl! Du bist die allereinzige auf Erden, die ich jenseits wieder zu sehen wünsche. Etwa Ulriken; -ja, nein, nein, ja: es soll von ihrem eignen Gefühl abhangen. Sie hat, dünkt mich, die Kunst nicht verstanden sich aufzuopfern, ganz für das, was man liebt, in Grund und Boden zu gehn: das Seligste, was sich auf Erden erdenken läßt, ja worin der Himmel bestehen muß, wenn es wahr ist, daß man darin vergnügt und glücklich ist. Adieu! - Rechne hinzu, daß ich eine Freundin gefunden habe, deren Seele wie ein junger Adler fliegt, wie ich noch in meinem Leben nichts Ähnliches gefunden habe; die meine Traurigkeit als eine höhere, festgewurzelte und unheilbare begreift, und deshalb, obschon sie Mittel genug in Händen hätte mich hier zu beglücken, mit mir sterben will; die mir die unerhörte Lust gewährt, sich, um dieses Zweckes willen, so leicht aus einer ganz wunschlosen Lage, wie ein Veilchen aus einer Wiese, heraus heben zu lassen; die einen Vater, der sie anbetet, einen Mann, der großmütig genug war sie mir abtreten zu wollen, ein Kind, so schön und schöner als die Morgensonne, um meinetwillen verläßt: und Du wirst begreifen, daß meine ganze jauchzende Sorge nur sein kann, einen Abgrund tief genug zu finden, um mit ihr hinab zu stürzen. - Adieu noch einmal! -  - Heinrich von Kleist an Marie von Kleist, 19. November 1811

Abschiedsbrief (5)

Abschiedsbrief (6)  »Mein lieber, mein guter M. A.«, schrieb sie. »Sie gütiger, sanfter, Sie, unser Engel, wie Sie der alte Anstreicher nannte, verzeihen Sie mir, ich reise mit dem Vater nach Amerika auf die Ausstellung. Nach einigen Tagen werde ich den Ozean sehen, so weit von Dubetschnja, geradezu schrecklich zu denken! Das ist weit und grenzenlos wie der Himmel, und dorthin will ich, in die Freiheit, ich triumphiere, ich bin närrisch, und Sie sehen ja, wie ungereimt mein Brief ist. Mein Lieber, mein Guter, geben Sie mir die Freiheit, zerreißen Sie so schnell wie möglich den Faden, der noch immer festhält und Sie und mich verknüpft. Daß ich Ihnen begegnet bin und Sie kennengelernt habe, war ein Strahl des Himmels, der mein Dasein erleuchtet hat; doch daß ich Ihre Frau wurde, war ein Fehler, Sie verstehen das, und jetzt peinigt mich die Erkenntnis dieses Fehlers, und ich flehe Sie auf Knien an, mein großmütiger Freund, mir so schnell wie möglich bis zu meiner Abreise zum Ozean zu telegraphieren, daß Sie einverstanden sind, unseren gemeinsamen Fehler zu reparieren und diesen einzigen Stein von meinen Flügeln zu entfernen, und mein Vater, der alle Mühen auf sich nehmen wird, verspricht Ihnen, Sie nicht allzusehr mit Formalitäten zu belästigen. Also, frei nach allen vier Himmelsrichtungen zu fliegen; Ja; Werden Sie glücklich und möge Gott Sie segnen, verzeihen Sie mir Sünderin,

Ich lebe und bin gesund. Ich schmeiße Geld hinaus und stelle viele Dummheiten an und danke Gott jeden Augenblick, daß eine so schlechte Frau wie ich kerne Kinder hat. Ich singe und habe Erfolg, doch das ist für mich kein Zeitvertreib, nein, es ist mein Zufluchtshafen, meine Zelle, wohin ich mich jetzt zur Ruhe begebe. König David besaß einen Ring mit der Inschrift: ›Allcs geht vorüber.‹ Wenn man traurig ist, wird man durch diese Worte wieder fröhlich, und wenn man fröhlich ist, so stimmen sie einen traurig. Auch ich schaffte mir einen solchen Ring mit hebräischen Buchstaben an, und dieser Talisman hält mich vor möglichen Verführungen zurück. Alles geht vorüber, auch das Leben geht vorüber, und das bedeutet, daß nichts notwendig ist. Oder daß nur das Bewußtsein der Freiheit notwendig ist, weil, wenn der Mensch frei ist, er nichts, gar nichts mehr nötig hat. Zerreißen Sie denn den Faden. Ich umarme Sie und Ihre Schwester fest. Verzeihen Sie und vergessen Sie Ihre M.«  - Anton Tschechow, Mein Leben. Nach (tsch)

Abschiedsbrief (7)  

Abschiedsbrief (8)  Papa,

ich hatte einen nichtigen Streit mit einem Fremden, dem ich ins Gesicht schlug und der mich in einem Duell bei Kalugano lötete. Tut mir leid!

            Van.  - (ada)

 

Brief Abschied

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme