blaß Eines
Tages kam ein Ritter von Hake, der in Stülp am Fuß des Golm wohnte, zu
Tetzel und verlangte Ablaß für eine schwere Sünde,
die er erst begehen wollte. Tetzel wollte ihm denselben zuerst nicht erteilen,
als jener ihm aber eine große Summe Geldes gab, wurde er bereitwilliger, und
Hake erhielt zuletzt, was er wünschte. Wenige Tage darauf verließ Tetzel mit
all seinen Schätzen Jüterbogk, um sich von da nach Berlin
zu wenden. Als er aber in die Berge bei dem Dorfe Holbeck kam und die Pferde
den schweren Wagen im tiefen Sande kaum von der Stelle bringen konnten, wurde
er von geharnischten Männern, an deren Spitze ein Ritter stand, überfallen,
und diese nahmen ihm, ungeachtet er die gräßlichsten Flüche
über den Ritter aussprach, seinen gewaltigen mit Eisen beschlagenen und ganz
mit Geld angefüllten Kasten ab. Denn jener Ritter war der von Hake, dem er seine
Sünde bereits im voraus vergeben hatte. -
Lügenmärchen aus alter und neuer Zeit. Hg. Georg A. Narciß. Frankfurt am Main
1966 (Fischer-Tb. 744)
Ablaß (2) Wie
ein Blitz kam mir die Erleuchtung, daß niemand einem Menschen eine Mahlzeit
abschlagen würde, wenn er nur den Mut hätte, darum zu bitten. Ich ging sofort
in ein Café und schrieb ein Dutzend Briefe. «Würden Sie mich einmal in der Woche
bei sich zum Essen einladen? Teilen Sie mir mit, welcher Tag Ihnen am besten
paßt.» Es wirkte wie ein Zauber. Ich wurde nicht nur abgefüttert, ich wurde
verwöhnt. Jede Nacht ging ich betrunken nach Hause. Sie konnten nicht genug
für mich tun, diese freigebigen Emmal-in-der-Woche-Seelen. Wie es mir in der
Zwischenzeit ging, war nicht ihre Sache. Dann und wann beschenkten mich die
Umsichtigen mit Zigaretten oder ein wenig Taschengeld, sie waren alle offensichtlich
erleichtert, wenn ihnen klar wurde, daß sie mich nur einmal in der Woche sehen
würden, und sie waren noch erleichterter, wenn ich ihnen sagte: «Es wird nicht
mehr nötig sein.» Sie fragten nie, warum. Sie gratulierten mir, das war alles.
Oft war der Grund, daß ich einen besseren Gastgeber
gefunden hatte, ich konnte es mir leisten, die Nervensägen
von der Liste zu streichen. - (krebs)
Ablaß (3) Wer
auf seiner Habenseite die meisten Cirkusnächte hat, kommt bestimmt als
erster in das Himmelreich. Deshalb kommt er immer wieder in den Cirkus
mit einem Eifer, den er selbst nicht versteht, aber er gewinnt ja, er gewinnt
einen rettenden Sündennachlaß nach dem anderen. -
(cirkus)
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