bhängigkeit Es gibt keinen Angestellten in Sizilien, den nicht der Wink eines Mächtigeren auf die Knie zwingt, und keinen, der nicht schon daran gedacht hat, Nutzen aus seinem Amt zu ziehen.
Diese allgemeine Korruption hat das Volk dazu gebracht, zu überaus seltsamen und gefährlichen Mitteln zu greifen. Es gibt in vielen Orten sogenannte fratellanze, eine Art Geheimbünde, auch partiti genannt, ohne Versammlungen, ohne andere Bindung als die der Abhängigkeit von einem Oberhaupt, der hier ein Grundherr, dort ein Dekan ist. Eine gemeinsame Kasse hilft je nach Bedarf, einmal um die Entlassung eines Beamten zu erreichen, ein andermal um einen zu gewinnen, einmal um einen Beamten zu schützen, ein andermal um einen unschuldigen zu belasten.
Das Volk hat mit den Übeltätern eine Art Übereinkunft getroffen.
Wenn es zu Diebstählen kommt, treten Vermittler auf, um Transaktionen zur
Wiedererlangung der gestohlenen Gegenstände anzubieten. Viele hohe Richter
decken diese fratellanze mit einem
undurchdringlichen Schutz, wie Scarlata, Richter am obersten Zivilgericht
in Palermo, wie Siracusa, oberster Richter... Es ist nicht möglich,
die städtische Polizei zu Streifengängen durch die Straßen zu veranlassen,
noch Zeugen für am hellichten Tage begangene Straftaten zu finden. Und
inmitten dieser sittenlosen Zustände liegt eine Hauptstadt mit ihrem Luxus
und ihren feudalen Ansprüchen im 19. Jahrhundert, eine Stadt, in der vierzigtausend
Proletarier leben, deren Lebensunterhalt von Luxus und Launen der Großen
abhängen. In diesem Nabel Siziliens werden die öffentlichen Ämter verkauft,
wird die Justiz bestochen und der Unwissenheit Vorschub geleistet... -
Don Pietro Ulloa, Staatsanwalt, nach: Leonardo Sciascia, Mein Sizilien.
Berlin 1995 (Wagenbach, 53. Salto)
Abhängigkeit (2) 50 Jahre alt.
Lehrer und Studienaufseher in einem Gymnasium in Auteuil, wohnt auch in diesem
Viertel, in dem seine Frau, tatsächlich eine ehemalige Tänzerin,
eine Pension betreibt. Sie hat Vermögen mit in die Ehe gebracht. Sie, der Haushalt
und das Eheleben sind ganz so, wie sie in dem Buch
geschildert werden. Mich wundert, daß Jouhandeau dieses Leben ertragen kann.
Ich frage: Ist er ein schwacher Mensch? Frau L... meint: «Wenn man so will,
ist er ein schwacher Mensch. Er ist mehrmals davongelaufen, aber jedesmal zurückgekommen.»
Ich sage: «Mein Gott, das kann an einer gewissen Angst liegen, an einem Unbehagen
bei der Vorstellung, daß man seine Gewohnheiten ändern muß.» Frau L... entgegnet
darauf: «Vielleicht ist es das. Vor allem aber ist es etwas anderes. Vor seiner
Heirat war Jouhandeau Päderast» (sie wollte wohl
sagen: homosexuell). «Durch sie» (seine Frau) «hat
er die Wonnen der Liebe kennengelernt» (ich betone diese wörtliche Formulierung
von Frau L..., die, wie mir scheint, über sie selbst etwas aussagt). «Das Geschlechtliche
bindet ihn an sie. Sie ist etwa fünf Jahre älter als er.» - (
leau
)
Abhängigkeit (3) Ashenden
versicherte oft und gern, daß er sich nie langweile.
Es gehörte zu seinen Einbildungen, daß nur solche Leute der Langeweile fähig
seien, deren Innenleben nichts hergab, genauer gesagt
also die Dummen, die zu ihrer Unterhaltung von der
Außenwelt abhingen. - W. Somerset Maugham, Giulia Lazzari. In: W.S.M., Ashenden oder Der britische Geheimagent. Zürich 1976
Abhängigkeit (4)
Abhängigkeit (7) Der Redakteur des
Journal des Gens de Maison erkühnt sich, als Schriftsteller und aus der
Fülle seiner Einfälle schöpfend, mit dem Mercure de France zu wetteifern.
Sehr passend setzt er hinzu: »Wir hängen weder von dem ab, wovon wir nicht abzuhängen
scheinen, noch von dem, wovon wir abhängen möchten, noch von dem, wovon abzuhängen
wir uns sträuben und wovon wir dennoch abzuhängen scheinen, sondern wir hängen
von uns selber ab; noch mehr allerdings«, fährt er fort, »hängen wir von dem
ab, wovon wir überhaupt nicht abzuhängen scheinen.« - Max
Jacob, Der Würfelbecher. Frankfurt am Main 1968 (zuerst 1917/23)
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