»Wenn wir sie aufgeben, müssen wir auch ihr Leibgeding aufgeben, das Imperium.« Und wer möchte für einen solchen Schatz, und wenn er noch geringer wäre, nicht auch Hahnrei sein?
Sein Sohn Antonius Verus, genannt Commodus, sagte, obwohl
er sehr grausam war, das gleiche zu jenen, die ihm rieten, seine Mutter,
die besagte Faustina, umzubringen; sie war so toll verliebt und
hitzig hinter einem Gladiator her, daß ihr diese Geilheit
nie auszutreiben war, bis man endlich den Gladiator umbringen und sie sein
Blut trinken ließ. - (
brant
)
Abgewöhnen (2) Am Donnerstag kam Bouvard wütend nach Hause.
»Dieses gottverdammte Miststück!«
»Wer denn?«
»Frau Bordin.«
Und er erzählte, daß er um Haaresbreite so verrückt gewesen sei, sie zu seiner Frau zu machen; aber seit einer Viertelstunde bei Marescot sei alles vorbei.
Sie hatte verlangt, Les Ecalles als Mitgift geschenkt zu bekommen, über die er jedoch nicht frei verfügen konnte -weil er sie, wie den Pachthof, zum Teil mit dem Geld eines anderen gekauft hatte.
»Allerdings!« warf Pécuchet ein.
»Und ich Esel, der ich so dumm war, ihr eine Gunst nach ihrer Wahl zu gewähren! Darum also ging's ihr! Ich habe mich aber auf die Hinterbeine gestellt; denn wenn sie mich wirklich geliebt hätte, wäre sie mir entgegengekommen!« Aber weit gefehlt; vielmehr habe sich die Witwe zu Beleidigungen hinreißen lassen und sogar sein Äußeres und seinen Wanst herabgewürdigt. »Meinen Wanst! Ich muß doch bitten!«
Pécuchet hatte währenddessen mehrmals den Raum verlassen und stakste mit gespreizten Beinen einher.
»Bist du krank? Geht's dir nicht gut?«
»Nein, es geht mir nicht gut!«
Und nachdem er die Tür verriegelt hatte, gestand Pecuchet nach langem Herumdrucksen, er habe sich gerade eine peinliche Krankheit zugezogen.
»Du?«
»Ja, ich!«
»Aber, mein Ärmster, wer hat dir denn das eingebrockt?«
Er errötete noch mehr und sagte mit noch leiserer Stimme: »Es kann niemand anders gewesen sein als Mélie.«
Bouvard stand völlig verblüfft da.
Die nächstliegende Maßnahme war es natürlich, das junge Weibsbild hinauszuwerfen.
Sie protestierte mit argloser Miene.
Pécuchets Fall war gleichwohl ernst; aber aus Scham über seinen Fehltritt wagte er es nicht, den Arzt aufzusuchen.
Bouvard hatte die Idee, auf Barberou zurückzugreifen.
Sie trugen ihm alle Einzelheiten der Krankheit schriftlich vor, damit er sie einem Arzt weitererzählen konnte, der sie dann fernmündlich heilte, nämlich auf dem Korrespondenzwege. Barberou legte, in der festen Überzeugung, Bouvard sei der Patient, großen Eifer an den Tag und nannte ihn, mit schulterklopfenden Glückwünschen, einen alten Rammler.
»In meinem Alter!« sagte Pécuchet. »Ist das nicht trostlos? Aber warum hat sie mir das nur angetan?«
»Du hast ihr eben gefallen.«
»Sie hätte mich zumindest warnen können.«
»Wenn
einen nun einmal die Leidenschaft überkommt!«
Und Bouvard beklagte sich über Madame Bordin.
Häufig hatte er sie bei Les Ecalles überrascht, in Gesellschaft von Marescot, im Getuschel mit Germaine - so viele Machenschaften um einen dürftigen Zipfel Land!
»Sie ist habgierig! Das erklärt alles!«
So kauten sie ihre Mißerfolge und Enttäuschungen durch, wieder und wieder, im kleinen Saal am Feuer sitzend, während Pecuchet seine Arzneien verschlang und Bouvard eine Pfeife nach der anderen rauchte - und sie disputierten über die Weiber.
»Merkwürdiges Bedürfnis! Ist es überhaupt ein Bedürfnis? - Sie treiben einen zum Verbrechen, zum Heldentum, ja, sogar in den nackten Stumpfsinn. Die Hölle unter einem Rock, das Paradies in einem Kuß - Turteltaubengezwitscher, Schlangengezücht, Katzenkrallen - unberechenbar wie das Meer, wechselhaft wie der Mond.« Und sie zählten sich alle Gemeinplätze auf, die über Frauen im Umlauf waren.
Es war das Bedürfnis, Frauen zu besitzen, was ihre Freundschaft bedroht hatte. Das Gewissen begann sie zu plagen.- »Keine Frauen mehr, abgemacht? Versuchen wir's künftig ganz ohne sie!« - und sie fielen einander gerührt in die Arme.
Rasches Handeln war geboten! - und Bouvard hielt, nach der Genesung Pécuchets, eine Hydrotherapie für angezeigt.
Germaine, die gleich nach dem Hinauswurf der Jüngeren wiedergekommen war, zerrte jeden Morgen den Badezuber in den Hausflur.
Und die beiden Biedermänner überschütteten sich, nackt wie die Wilden,
gegenseitig mit großen Eimern kalten Wassers und rannten dann spornstreichs
los, um wieder in ihre Zimmer zu kommen. - Gustave Flaubert, Bouvard
und Pécuchet. Frankfurt am Main 2003 (Die Andere Bibliothek 222, zuerst
1881)
Abgewöhnen (3) Auch
die Liebe aus Sinnlichkeit hat ihre Blitzschläge. So habe ich gestern
beobachtet, wie die schönste und leichtlebigste Dame Berlins, mit der
ich zusammen im Wagen fuhr, plötzlich errötete. Der schöne Leutnant
Findorff war vorübergegangen. Sie verfiel in tiefe Träumerei und
Unruhe. Abends im Theater gestand sie mir, daß sie närrisch verliebt
sei und daß sie nur an Findorff denke, mit dem sie noch nie ein Wort
gesprochen habe. Wenn es angängig wäre, sagte sie, so würde sie ihn
holen lassen. Ihr hübsches Gesicht verriet alle Zeichen einer heftigen
Leidenschaft. Das ging auch noch den folgenden Tag so; nach drei Tagen
hatte sich Findorff täppisch betragen, und sie dachte nicht mehr an
ihn. Einen Monat später war er ihr verhaßt. - (
stend
)
Abgewöhnen (4) Spartaner zeigten ihren Söhnen besoffene
Sklaven, um sie von Berauschung abzuschrecken, so
wie Theologen auf den besoffenen Noah hinwiesen, der seine Scham entblößte —
auf Loth hinzuweisen, der noch weiter ging, war nicht rätlich. Basedow, wenn
er sich tags zuvor trunken in seinem kostbaren Samtrock in der Gasse gewälzt
hatte, trat in diesem besudelten Rock vor seine Zöglinge, um sie zu warnen;
der Schuhflicker aber, der nüchtern einen Betrunkenen im Kot liegen sah, verließ
ihn seufzend: „Ach, sonntags werde ich auch so daliegen." Jener Schneider
hörte jedoch auf zu saufen, als ihm einst im Trunke seine Frau doppelt erschien.
Und ein echt britischer Admiral,
der die Flasche liebte, fuhr ziemlich beladen nach Hause, fand einen seiner
Matrosen besoffen im Wege liegend und rief: „Schwein, warum liegst du besoffen
hier mitten in der Straße?" „Euer Exzellenz, ich habe keine Kutsche, die
mich nach Hause bringt." Lachend warf ihm der Admiral ein Goldstück in
den Hut. - (
kjw
)
Abgewöhnen (5) Da war ein recht braver Kon'a,
ein Bursche, dessen junge Frau ihm viel zu schaffen machte durch Liebeleien,
ja Untreue. Da er sie sehr liebte, trotzdem sie eine Gefangene seiner Tribú
war und trotzdem sie nicht gerade stehen konnte, da man ihr als kleines Kind
die Kniescheiben herausgenommen hatte und die Flächen der Hände und Füße mit
scharfen Steinen ausgekratzt, um eine Flucht zu verhindern, so wollte er sie
doch nicht zum Tode verurteilen, wie seine Sippe es verlangte - die Leichtsinnige,
Kriechende. Er ging mit dem Priester der Wahrsagerzunft zum Chel-Kura, dem menschenartigen
Steingott, und der Priester sagte in Verzückung: »Binde sie eine Nacht fest
am Litribaum und lasse sie allein im Walde.« Der Mann tat es, und als er am
Morgen seine Frau aufsuchte, sah sie grauenerregend aus: durch den Schatten
des giftigen Litribaumes war ihre Schönheit zerstört. Dick angeschwollen war
das Gesicht, entzündet, rot die Augen, der Körper unförmig und mit Blasen bedeckt,
die eine Flüssigkeit absonderten, die übel roch. Er freute sich über den Erfolg
seiner List, wußte auch, daß die Verunstaltung nicht für immer anhalten würde.
Aber die Frau war für ewige Zeiten geheilt, und gerne brachte er dann dem Chel-Kura
die verheißene Opfergabe: eine lebendige, dann in Stücke gerissene Henne, die
er dem Gotte röstete. - (
arauk
)
Abgewöhnen (6) Um die Ergötzung und die Lust
des Fleisches in sich zu erlöschen, nehme man im Sommer Dill, zweimal
soviel Bachminze und Lungenwurz, davon etwas mehr als von der Bachminze,
von der blauen Lilie zweimal soviel als von der Bachminze und von den Schalotten
ebensoviel wie von den Blaulilien. All das lege man in Essig und mache
ein Gewürz daraus und genieße es oft mit allen übrigen Speisen. Im Winter
aber pulverisiere man das alles und esse dieses Pulver mit seinen Speisen,
weil man diese Kräuter dann eben nicht grün haben kann. Die Trockenheit
und Kälte des Dill löscht die Hitze der Lust aus, der kalte Saft der Bachminze
widersteht jenem verdorbenen Safte, und der kalte und unergötzliche Saft
der Lungenwurz benimmt diese verdorbene Süße, die tugendhafte Kälte der
blauen Lilie überwindet die Lust, und die giftige Kälte der Schalotte mindert
das schlimme Gift der Lust. -
(bin)