Abgeblitzt  Sie haßt den Doktor, was hat sie nicht schon alles seit zwanzig Jahren über ihn gesagt ... was sage ich zwanzig Jahre, dreißig, aber ja, vor dreißig Jahren hat er seine Klinik aufgemacht, seinerzeit waren wir stolz sowas Schickes hier zu haben aber die, die hat nicht lange gewartet, die hat ihn gleich heruntergemacht, Gerüchte verbreitet schlechte Pflege, schlecht ausgebildetes Personal, mäßige Verpflegung, dabei hatte sie keine Ahnung, und das ganze warum, das will ich Ihnen sagen, er, der Doktor, war damals ein sehr schöner Mann, alle unsere Klatschweiber waren verrückt nach ihm, aber sie war besonders hysterisch, sie machte sich überall an ihn ran, bei seinen Besuchen, am Auto, sonntags beim Tennis und sogar in seinem Garten und gurrte, sie wollte ihn unbedingt haben, er war ihr Gott, ihr Mann, ihr siebenter Himmel, wie man so sagt. Aber der hatte andere Amouren, er hat sie abblitzen lassen und sie hat sich auf die Weise gerächt, was haben die nur diese ausgerasteten Weiber, was juckt sie bloß, und dabei gehört eine ordentliche Portion Dummheit dazu so hartnäckig zu sein, sie war mit zwanzig genauso mickrig wie mit sechzig und aus einem Milieu, bei Gott nicht das vom Doktor, als ob ihr Abi Charme, Schönheit und Pinke ersetzen könnte, ihr Abi, stellen Sie sich das vor, dann ein paar Jahre Lehrerin spielen und schon hielt sie sich für unwiderstehlich, eine dumme Kuh, das müssen Sie doch zugeben, inzwischen hat sie ihre Illusionen schon längst begraben, man könnte fast Mitleid mit ihr haben wäre nicht ihre angeborene Bosheit, eine richtige Giftnudel ist sie mit der Zeit geworden, selbst ihre alten Schüler grüßen sie nicht mehr, man bekommt was man verdient.   - Robert Pinget, Der Feind. Berlin  1988
 
 

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