bgang,
starker Als Sextus Pompejus nach Asien zog, nahm er seinen
Weg von Negropont über die Insel Keos. Es traf sich von ungefähr während seines
Aufenthaltes, wie uns einer seiner Gefährten berichtet, daß eine Frau von hohem
Ansehen, nachdem sie ihren Mitbürgern kundgetan hatte, warum sie ihr Leben zu
beenden gewillt sei, den Pompejus bat, bei ihrem Tode gegenwärtig zu
sein, um ihn mit größerer Ehre auszuzeichnen: was er denn auch tat; und da er
lange Zeit vergeblich all die Beredsam-keit, über die er in erstaunlichem Maße
verfügte, und alle Überzeugungskraft aufgeboten hatte, um sie von ihrem Entschlusse
abzubringen, litt er es endlich, daß sie ihren Willen tat. Sie hatte über neunzig
Lebensjahre
in glücklichstem Befinden des Geistes und des Leibes zurückgelegt; allein da
sie nun, schöner geschmückt als gewöhnlich, den Kopf in die Hand gestützt, auf
ihrem Bette lag, sprach sie: Die Götter, o Sextus Pompejus und mehr die, welche
ich hinter mir lasse, als jene, zu denen ich gehe, werden dir Dank wissen, daß
du nicht verschmäht hast, Ratgeber meines Lebens und Zeuge meines Todes
zu sein.
Ich meinesteils will nun, da ich bis dahin nur das freundliche Antlitz des Glücks gekannt habe und da ich fürchte, daß die Lust, zu lange zu leben, mich ein widriges sehen lasse, durch ein glückliches Ende die Reste meiner Lebensgeister verabschieden, indes ich zwei Töchter und eine Schar von Enkeln zurücklasse.
Dies gesagt, und nachdem sie die Ihren zu Eintracht und Frieden ermahnt, ihre Güter unter sie verteilt und ihrer älteren Tochter die Hausgötter anbefohlen hatte, nahm sie mit fester Hand den Becher, in dem sich das Gift befand, tat ihr Gelübde zu Merkur und die Gebete, daß er sie in glückliche Gefilde der andern Welt führen möge, und leerte ohne Zaudern den tödlichen Trank.
Danach aber unterrichtete sie weiter die Anwesenden über die
Fortschritte seiner Wirkung, und wie ein Teil ihres Körpers nach dem andern
von Kälte ergriffen wurde, bis sie endlich, da sie gesagt hatte, sie fühle ihr
Herz und ihre Eingeweide erkalten, ihre Töchter rief, um ihr den letzten Dienst
zu erweisen und ihr die Augen zuzudrücken. - (
mon
)
Abgang, starker (2) Plinius erzählt von einem
hyperboräischen Volke, daß dort dank der milden Wärme des Klimas die Lebenstage
insgemein nicht anders als durch den freien Willen der Einwohner enden; daß
sie aber, wenn sie des Lebens satt und müde sind, den Brauch haben, am Ende
eines hohen Alters und nachdem sie noch getafelt und gezecht haben, sich von
der Höhe eines eigens dazu bestimmten Felsens ins Meer zu stürzen. - (
mon
)
Abgang, starker (3) In seinem
neunten Konsulat erfuhr er in Kampanien die erste leichte Erschütterung seiner
Gesundheit. Er begab sich eiligst nach Rom zurück und von dort nach Cutiliä
und seinen reatinischen Landgütern, wo er sonst alljährlich den Sommer zubrachte.
Hier verschlimmerte sich sein Zustand, da er sich obendrein durch den übertriebenen
Gebrauch des kalten Wassers auch ein Darmleiden zuzog. Trotzdem besorgte er
wie sonst alle seine Regierungsgeschäfte, ja er gab sogar, obwohl zu Bett liegend,
den Gesandten Audienz. Aber plötzlich trat ein furchtbarer Durchfall ein, der
eine völlige Abnahme seiner Kräfte zur Folge hatte. Mit den Worten: „Ein Imperator
muß stehend sterben", versuchte Vespasian, sich mit aller Anstrengung aufzurichten;
und hierbei starb er unter den Händen der Leute, welche ihm aufhelfen wollten,
am dreiundzwanzigsten Juni im Alter von neunundsechzig Jahren, sieben Monaten
und sieben Tagen. - (
sue
)
Abgang, starker (4) Die Zuschauer hatten sich, zuerst vereinzelt, dann in Gruppen und schließlich in ganzen Sitzreihen, von ihren Plätzen erhoben und starrten hinauf zu dem Manne, der sich verneigte und ihnen Kußhände zuwarf. Dann stieß er sich wie ein Schwimmer von seinem Sprungbrett ab. Einen Augenblick lang schien er adlergleich mit ausgebreiteten Armen durch die Luft zu gleiten, um dann wie ein plötzlich schwer gewordener Sack kopfüber nach unten und mit dumpfem Aufprall auf die Erde zu fallen. In diesem Augenblick fuhr ein weiß-schimmernder Krankenwagen, auf dessen Verdeck ein Clown tanzte, in die Manege ein, gefolgt von einem Heer von Feuerschluckern, Gauklern, Jongleuren, Trapezkünstlern, Tierbändigern, die johlend und schreiend durcheinander liefen, Purzelbäume schlugen und einander brennende Fackeln, Teller, Messer und Bälle zuwarfen, dazu Peitschenknallen und Pistolenschüsse, das Posaunen der Elefanten, das Husten sinnlos Blumenvasen balancierender Seehunde sowie das Gemecker blödsinnig in sich hineinkauernder Affen in Husarenuniformen. Plötzlich erschien, als man das Schauspiel schon fast für beendet hielt, ein offener Lastwagen, auf dem Schauspieler Szenen aus dem Leben des Akrobaten vorführten, die Taufe in einer Dorfkirche in der Nähe von Brescia, erstes Auftreten des Neunjährigen in einem Wanderzirkus, glückliche, aber jäh abgebrochene Ehe mit einer Zahnakrobatin, die mitten im Akt einen Hustenanfall erlitt und abstürzte, und schließlich sein letzter Sprung von einem brennenden Hubschrauber auf einen fahrenden Eisenbahnzug in einem bisher noch nie gezeigten Abenteuerfilm...
Dann trat eine große Stille ein, die Anwesenden
gedachten des toten Akrobaten in einer Schweigeminute. »Sehen Sie«, sagte der
Zirkusdirektor, »mein Akrobat war anders als andere Akrobaten. Er dankte in
dem Augenblick ab, als er sich das Wagnis der Kunst nicht mehr zutraute, diesen
Sprung ins Ungewisse, bei dem es nur darauf ankommt,
daß irgendwo im Dunkel jemand da ist, der ihn auffängt. Er gab dem Zufall
keine Chance mehr, und was wäre die Kunst ohne unseren Glauben an das Unvorhergesehene,
das wir Zufall nennen und dem wir doch unsere größten Erfolge verdanken. Ach,
wenn doch jeder von uns den Mut hätte, in Größe abzutreten, wenn unsere Zeit
vorbei ist.« - Hans Sahl, in: Salto. 99 Luftsprünge, Purzelbäume und andere
Kunststücke. Berlin 2001 (Wagenbach, Salto 100, Hg. Susanne Schüssler, Maren
Arzt)
Abgang, starker (5) Die letzte Rauberei beging
er auf der Hounslow Heath, allwo er einem Pachter 20 Pfund hinwegnahm; aber
ohngefähr eine Woche hernach befand sich besagter Pachter in London und wurde
gewahr, daß Cox (den er alsbald kannte) aus seinem Logis in der Essex Street
beim Strand herauskam; und weil er ausschrie: Ein Spitzbube! haltet den Spitzbuben
auf! wurde er auf dem Kirchhof von St. Clement ergriffen, und als er vor den
Friedensrichter gebracht wurde, schickte ihn derselbe nach Newgate, woselbst
er in der Preß-Abteilung das leichtfertigste Leben führete. Nachdem man ihm
aber bei der folgenden Verhandlung, so im Gerichtssaal des Old Bailey gehalten
worden, das Leben abgesprochen, wurde er an einem Mittwoch, dem 3. Juni 1691,
im 26. Jahr seines Alters zu Tyburn gehangen. Er ging sehr kühn dran; denn ehe
er abgetan wurde, ermahnte ihn Herr Smith, der Prediger zu Newgate, mit den
übrigen armen Sündern zu beten, allein er tat einen grausamen Schwur, nicht
ein Wort zu beten, und stieß den Prediger samt dem Henker vom Karren hinunter.
-
(
spitz
)
Abgang, starker (6)
Abgang (7) Sie reichten sich die Hand, und der Ritter ritt langsam durch den Wald davon. »Mit seinem Abgang wird es kaum lange dauern«, sagte sich Alice, als sie ihm nachsah. »Da liegt er auch schon! Und natürlich wieder direkt auf den Kopf! Aber das Aufsitzen kann er recht gut - das kommt, weil so viele Sachen an dem Pferd daranhängen -« Und so redete sie mit sich selbst, während das Pferd gemächlich die Straße hinuntertrabte und der Ritter abwechselnd nach rechts und links herunterfiel. Nach dem vierten oder fünften Sturz war er an der Wegbiegung angelangt, und sie winkte ihm mit dem Taschentuch zu, bis er verschwunden war.
»Hoffentlich hat es ihn auch zuversichtlicher gemacht!« sagte sie. - Lewis
Carroll
, Alice hinter den Spiegeln.
Frankfurt am Main 1974 (it 97, zuerst 1872)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |